Meinungen

Wann kommt der erste Schweizer-Albanische Nationalrat?

Die Ergebnisse der Nationalratswahlen zeigen, dass kein Kandidat albanischer Abstammung den Sprung in den Nationalrat geschafft hat. In den sozialen Medien zeichnen sich hauptsächlich drei Meinungen hierfür ab: eine Gruppe von Menschen meint, es sei naiv an die Integration der albanischen Gemeinde in das politische Leben der Schweiz zu glauben, weil sie nicht akzeptiert sind. […]

Die Ergebnisse der Nationalratswahlen zeigen, dass kein Kandidat albanischer Abstammung den Sprung in den Nationalrat geschafft hat. In den sozialen Medien zeichnen sich hauptsächlich drei Meinungen hierfür ab: eine Gruppe von Menschen meint, es sei naiv an die Integration der albanischen Gemeinde in das politische Leben der Schweiz zu glauben, weil sie nicht akzeptiert sind. Eine andere Gruppe vertritt die Auffassung, dass Kandidatinnen und Kandidaten albanischer Herkunft nur dann gewählt werden, wenn sie von ihrem ethnischen politischen und sozialen Rahmen ausbrechen. Und schliesslich gibt es die Meinung, dass die vielen Kandidatinnen und Kandidaten mit albanischen Wurzeln nur die Chancen derjeniger verkleinert haben, die tatsächlich eine Chance hätten, gewählt zu werden.

Alle drei Meinungen sind teilweise richtig. Hier einige Erklärungsansätze.

Bezüglich der ersten Meinung stimmt es schon, dass eine albanische Schirmherrschaft keinen Vorteil in den Schweizer Wahllisten bringt, denn die Albaner und die andere Menschen mit Herkunft aus dem Balkan im Allgemeinen von der Mehrheitsgesellschaft weiterhin nicht positiv wahrgenomen werden. Doch dieser Faktor allein erklärt nicht, die Nicht-Wahl von Kandidatinnen und Kandidaten albanischer Herkunft. Weil es im Naitonalrat bereits schon Nationalräte gibt, die einen Migrationshintergrund haben – wie zum Beispiel Sibel Arslan. Und die Kandidatinnen und Kandidaten albanischer Herkunft haben eine beträchtliche Anzahl von Stimmen erhalten. Zudem trägt das aktuelle politische Klima und die negative Einstellung gegenüber Migration nicht unbedingt dazu bei, dass Kandidatinnen und Kandidaten gewählt werde, die nicht den Standards der traditionellen Politik und Politiker der Schweiz entsprechen. Das heisst, ausländische Namen haben kleinere Chancen gewählt zu werden, bzw. werden eher aus den Wahllisten der politischen Parteien gestrichen. Der aktualle Kontext mit dem enormen Strom von Flüchtlingen und Migranten, mit dem Europa zu kämpfen hat, mobilisiert Affekte und die Wähler geben ihre Stimme eher aus einem Gefühl der Angst ab. Dies erklärt bis zu einem gewissen Grad auch die Schwierigkeit der Grünen, ihre Themen wie Umwelt und Energie zu imponieren – Themen, die rationaler sind.

Die zweite Meinung birgt in sich eine Tatsachen, die zu akzeptieren sind. Besonders dann, wenn das Element der ethnischen Herkunft über das Element der Ideen steht und wenn die Unterstützung grundsätzlich auf die Mobilisierung der in der albanischen Gemeinde beheimateten Kreise bestehend oft aus Personen der ersten Generation mehrheitlich Männer aufgebaut ist; und durch Folklore-Veranstaltungen. Der Hinweis auf die ethnische Herkunft ist symbolisch positiv, weil es die Vorurteile gegenüber Albanern bricht. Dazu kompensiert diese Strategie der Mobilisierung die Stimmen, die aufrungd der albanischen Schirmherrschaft verloren gehen. Es ist aber entscheidend, dass die politische Aktion im allgemeinen Wahlkampf integriert ist – im Sinne der Ideen und der Vorschläge, die die Kandidatinnen und Kandidaten zu den dominanten Themen bringen, im Einklang mit den politischen Farben, die sie vertreten.

Drittens, ist die Anzahl der Kandidatinnen und Kandidaten mit albanischen Wurzeln eine ermutigende Entwicklung. Für die diesjährigen Wahlen ist aber diese Zahl normal – rund 3800 Personen stellten sich in diesem Jahr zur Wahl. Die Zahl von 30 Kandidatinnen und Kandidaten albanischer Herkunft hat Chancen eines der Kandidierenden nicht verschlechtert. Die Ergebnisse der Wahlen zeigen vielmehr, wer bei den nächsten Wahlen die bessere Chancen hat, tatsächlich ein Mandat zu gewinnen. Dieser Test sollte in der Zukunft als Indikator dafür dienen, dass man Kandidaten unterstützt, die ein grösseres Potential haben, eines Tages wirklich gewählt zu werden.

Und schliesslich sollte man die Ergebnisse der Nationalratswahlen nicht mit zynischer Naivität interpretieren. Im Gegenteil, die Schweizer-Albaner haben bereits angefangen, sich am politischen Leben der Schweiz teilzunehmen. Die Erfahrungen, die sie in der Schweizer Politik machen ist von besonderes Wichtigkeit. Wir sollten nicht vergessen, bei den vorletzten Wahlen war der Anzahl der Kandidatinnen und Kandidaten albanischer Herkunft  verschwindend klein. Das erhöhte Interesse, die zunehmende Anzahl von Kandidierenden und die Debatten in den sozialen Medien zeigen, dass die politische Partizipation von nun an die albanischen Schweizer unmittelbar betrifft. Darum muss dies eine Priorität bleiben, sowohl für uns als auch für die anderen.