Integration
Von Pausenhöfen zur Bildungspolitik: Albanisch als Landessprache der Schweiz?
Albinfo.ch begibt sich nun von den Pausenhöfen in die obersten Ebenen der Zürcher Bildungspolitik und übergibt das Wort an Frau Silvia Steiner
Mit Albanismen wie “Ej njeri!” (Hej Mann) oder “te dua” (Ich liebe Dich) dringt die albanische Sprache immer stärker ins Schweizerdeutsche vor und gewinnt zunehmend Präsenz im Schulalltag des Kantons Zürich. Doch reiht sich Albanisch in Zukunft in die Vielfalt der Schweizer Landessprachen ein?
Diese Frage sorgt in jüngster Zeit für Schlagzeilen, aber der renommierte Sprachexperte Stephan Schmid von der Universität Zürich äusserte kürzlich Skepsis. Schmid erklärte, dass Albanisch, ähnlich wie viele andere Einwanderungssprachen, in der zweiten und dritten Generation an Bedeutung zu verlieren droht. Er führt diesen Trend zu albanischen Wörtern auf informelle Bildungsfaktoren wie Musik, das Internet und den sprachlichen Austausch unter Gleichaltrigen zurück. Dabei betonte er auch, dass die formelle Bildung noch Verbesserungsbedarf aufweist, insbesondere vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Realität, in der bei Jugendlichen der zweiten oder dritten Generation in der Schweiz von der albanischen Sprache nur noch Albanismen übrigbleiben.
Albinfo.ch begibt sich nun von den Pausenhöfen in die obersten Ebenen der Zürcher Bildungspolitik und übergibt das Wort an Frau Silvia Steiner. Wir möchten Einblicke in Ihre Rolle als Bildungsdirektorin des Kantons Zürich erhalten und Ihre Ansichten zum aktuellen Stand der Dinge in Bezug auf die formelle Bildungsorganisation im Kontext des HSK-Unterrichts für Albanisch lesen.
Albinfo.ch: Frau Steiner, könnten Sie uns von Ihrer Rolle als Bildungsdirektorin im Kanton Zürich erzählen?
S. Steiner: Als Bildungsdirektorin setze mich dafür ein, den Kindern und Jugendlichen im Kanton Zürich die bestmögliche Bildung und Ausbildung zu ermöglichen. Die Basis dafür ist eine starke V olksschule, die allen Kindern zugänglich ist und den unterschiedlichen Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler gerecht wird. In meiner Zuständigkeit sind auch die Mittel- und Berufsfachschulen, die Hochschulen, die Berufsberatung sowie die ausserschulische Bildung wie beispielsweise die Elternberatung.
Albinfo.ch: Können Sie Ihre eigene Schulbiografie kurz skizzieren?
S. Steiner: Nach der Primarschule besuchte ich das Gymnasium in Oerlikon. Ich ging gern zur Schule, ausserdem war ich interessiert an Sport, meine Leidenschaft war Handball. Nach der Maturität habe ich mich für ein Studium an der Universität Zürich entschieden, ich machte einen Abschluss in Rechtswissenschaft. Mein Doktorat erlangte ich an der Universität Lausanne, in der französischsprachigen Schweiz. Vor meiner Wahl in den Regierungsrat arbeitete ich als Polizeioffizierin und Staatsanwältin.
Albinfo.ch: Gab es damals Schüler, die nichtlandessprachen mit ins Klassenzimmer brachten, und wie wurde dies damals gesellschaftlich wahrgenommen?
S. Steiner: Die Klassen waren während meiner Primarschulzeit in den 60er-Jahren bereits durchmischt. Ich erinnere mich vor allem an Mitschülerinnen und Mitschüler, die spät zugewandert waren und nur Italienisch sprachen. Im Kanton Zürich sind gute Deutschkenntnisse die Grundlage für einen erfolgreichen Bildungsweg, darum beginnt die Sprachförderung heute bereits im Kindergarten. Die Vielfalt ist auch eine Chance. In der Schule kommen – damals wie heute – Kinder mit unterschiedlichem sozialem, kulturellem oder religiösem Hintergrund zusammen. Die Kinder lernen in der Schulzeit nicht nur Rechnen und Schreiben, sondern auch das Zusammenleben.
Albinfo.ch: Können Sie uns den aktuellen Wissensstand über die Organisation der HSK (Heimatliche Sprache und Kultur) Lehrpersonen für die albanische Sprache im Kanton Zürich darlegen?
S. Steiner: Der ergänzende Unterricht in Heimatlicher Sprache und Kultur (HSK) fördert die Erstsprache der Kinder und vermittelt Wissen über das Herkunftsland. Organisiert werden die Kurse nicht von der Bildungsdirektion, sondern von Botschaften, Konsulaten oder Vereinen. Der Besuch des Unterrichts stärkt die Sprachkompetenz der Schülerinnen und Schüler, die mehrsprachig aufwachsen. In der Zürcher Volksschule sind Kinder mit Albanisch als Erstsprache die grösste Gruppe der nicht Deutschsprachigen.
Albinfo.ch: Gibt es eine Instanz, die den offiziellen Auftrag der Sprachvermittlung evaluieren und optimieren kann?
S. Steiner: Bei den anerkannten HSK-Kursen regelt das Volksschulamt die Zulassung der Kurse und der Lehrpersonen und unterstützt Weiterbildungen. Für den Unterricht in heimatlicher Sprache und Kultur hat das Volksschulamt einen Rahmenlehrplan erarbeitet, der unter anderem auch auf Albanisch übersetzt worden ist. Der HSK-Rahmenlehrplan bildet einen verbindlichen, gemeinsamen Rahmen für alle anerkannten HSK-Kurse. Er orientiert sich am Lehrplan 21 des Kantons Zürich und stellt einen zeitgemässen HSK-Unterricht sicher. Eigene Lehrpläne aus den Herkunftsländern müssen auf den HSK-Rahmenlehrplan abgestimmt verwendet werden. Das Volksschulamt holt alle drei Jahre im Rahmen eines Monitorings Rechenschaftsberichte der Trägerschaften ein und überprüft diese.
Albinfo.ch: Abschliessend, Frau Steiner, angesichts der steigenden sprachlichen Vielfalt in Schulen, wo sehen Sie als Bildungsdirektorin Chancen und Potenzial für gesellschaftliche Verbesserungen bei der Förderung der additiven Zweisprachigkeit, insbesondere im Bereich der formellen Bildung?
S. Steiner: Mit den Kursen in heimatlicher Sprache und Kultur besteht ein gutes Angebot für die verschiedenen Erstsprachen. Sowohl die Lehrpersonen der Schule als auch des HSK-Unterrichts engagieren sich dafür, bei den Kindern die Freude an der Sprache und am Lesen und Schreiben zu wecken. Nicht zu unterschätzen ist auch die Bedeutung der ersten Lebensjahre. In der Zeit vor dem Eintritt in den Kindergarten lernen Kinder so viel wie in keiner anderen Lebensphase. Wichtig ist, dass die Bezugspersonen im Alltag viel mit den Kindern sprechen. Zur Förderung der frühen Entwicklung gibt es im Kanton Zürich zahlreiche Angebote für Eltern und Kinder.
Weiterführende Informationen
HKS-Kurse:
https://www.zh.ch/de/bildung/informationen-fuer-schulen/informationen-volksschule/volksschule-schulinfo-unterrichtsergaenzende-angebote/schulinfo-foerderung-erstsprache-hsk.html
Angebote für Familien (frühe Förderung):
https://www.zh.ch/de/familie/angebote-fuer-familien-mit-kindern.html
Bildungsdirektion des Kantons Zürich:
https://www.zh.ch/de/bildungsdirektion.html
Driter Gjukaj
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