Coronavirus: Minute für Minute
Verurteilungen gehen 2020 um 11% zurück
Erwachsenenstrafurteile im Jahr 2020: Am stärksten rückläufig sind die Verurteilungen aufgrund des Ausländer- und Integrationsgesetzes (–17%)
Im Jahr 2020 wurden rund 95 000 Verurteilungen von Erwachsenen ins Strafregister eingetragen. Dies entspricht einem Minus von 11% im Vergleich zum Jahr 2019. Am stärksten rückläufig sind die Verurteilungen aufgrund des Ausländer- und Integrationsgesetzes (–17%). Bei den Strafen sind es insbesondere die Freiheitsstrafen mit einer Dauer von über zwei Jahren, die viel weniger häufig verhängt wurden (–27%). In 1841 Urteilen wurde eine Landesverweisung angeordnet (–12%). Dies geht aus der Strafurteilsstatistik des Bundesamtes für Statistik (BFS) hervor.
Die Ergebnisse der Strafurteilsstatistik für das Jahr 2020 lassen vermuten, dass die Covid-19-Pandemie einen grossen Einfluss auf die Verurteilungszahlen gehabt hat. Die aktuelle Statistik liefert aber noch kein abschliessendes Bild. Ob es z.B. wirklich zu weniger Straftaten kam oder ob es nur einen Rückstand bei der Erledigung der Strafverfahren gegeben hat, kann erst beurteilt werden, wenn alle Straftaten aus dem Jahr 2020 abgehandelt worden sind. Dies wird aber mindestens noch ein bis zwei Jahre in Anspruch nehmen.
In allen Bereichen deutliche Abnahmen zu verzeichnen
Eine niedrigere Anzahl Verurteilungen zeigt sich sowohl beim Strafgesetzbuch (StGB) als auch bei den wichtigsten Nebengesetzen. Besonders stark ausgeprägt ist die Abnahme bei den Verurteilungen aufgrund des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG: –17%) und des Betäubungsmittelgesetzes (BetmG; –14%).
Aber auch die Verurteilungen wegen Straftaten des Strassenverkehrsgesetzes (SVG) weisen einen starken Rückgang auf (–13%). Vor allem die Verurteilungen aufgrund von Fahren in fahrunfähigem Zustand (insbesondere alkoholisiert oder unter Einfluss von Betäubungsmitteln) sind um 15% gesunken. Dies kann zumindest teilweise auf die Schliessung der Restaurants und Bars zurückgeführt werden. Das kleinste Minus weisen die Verurteilungen aufgrund des StGB (–5%) aus.
Grösstes Minus bei ausländischen Personen ohne B- oder C- Ausweis
Betrachtet man die verurteilten Personen, dann zeigt sich, dass der Rückgang bei den verurteilten Ausländerinnen und Ausländern ohne B- oder C- Ausweis (StGB: –12%; SVG: –21%; BetmG: –21%) sehr viel ausgeprägter ist als bei den Schweizerinnen und Schweizern und ausländischen Personen mit B- oder C- Ausweis (StGB: –3%; SVG: –9%; BetmG: –8%).
Ein auf den ersten Blick etwas unerwartetes Bild zeigen die Verurteilungen aufgrund von einer groben Verletzung der Verkehrsregeln (oft Geschwindigkeitsübertretungen). Hier zeigt sich bei Schweizer Staatsbürgerinnen und -bürgern sowie bei Personen ausländischer Nationalität mit B- oder C- Ausweis gar ein Anstieg bei den Verurteilungen (+3%), während bei Ausländerinnen und Ausländern ohne B- oder C- Ausweis 25% weniger Verurteilungen ergangen sind.
Auch hier liefern die Massnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie einen möglichen Erklärungsansatz: Zum einen haben die Grenzschliessungen zu weniger Durchfahrten durch die Schweiz geführt. Zum anderen ist davon auszugehen, dass in der Schweiz wohnhafte Personen, vermehrt die öffentlichen Verkehrsmittel gemieden haben und dafür öfter mit dem Auto gefahren sind.
Starker Rückgang bei Freiheitsstrafen von über zwei Jahren
Aufgrund der geringeren Zahl von Verurteilungen wurden auch weniger Strafen ausgesprochen. Die Verteilung auf die unterschiedlichen Strafarten blieb dabei im Jahr 2020 weitgehend unverändert im Vergleich zum Vorjahr, wurde doch erneut in 70% aller Verurteilungen eine bedingte Geldstrafe als Hauptstrafe ausgesprochen.
Auffallend ist aber: Bei den Freiheitsstrafen von über zwei Jahren ist der Rückgang mit –27% besonders hoch (von 865 im Jahr 2019 auf 630 im Jahr 2020). Hier gilt es in den Folgejahren zu beobachten, ob die Verringerung eher darauf zurückzuführen ist, dass die Strafverfahren bei schwerwiegenderen Straftaten pandemiebedingt verzögert abgeurteilt und ins Strafregister eingetragen wurden, oder ob es wirklich weniger schwere Straftaten gegeben hat.
Auch Landesverweisungen wurden weniger ausgesprochen
Im Jahr 2020 wurden 1841 Landesverweisungen ausgesprochen. Auch hier sind die Zahlen im Vergleich zu 2019 rückläufig (–12%). Wie auch in den Vorjahren handelt es sich hauptsächlich um obligatorische Landesverweisungen (90%), die bei Verurteilungen von ausländischen Personen ohne B- oder C- Ausweis ausgesprochen wurden (81%).
Bei 61% aller Verurteilungen mit einer Katalogstraftat gemäss Artikel 66a des StGB wurde eine Landesverweisung verhängt (Anwendungsrate der obligatorischen Landesverweisung). Dieser Anteil ist sehr stark von der gleichzeitig ausgesprochenen Strafe abhängig. Bei Geldstrafen liegt die Anwendungsrate bei 5%, bei Freiheitsstrafen unter sechs Monaten bei 45% und bei Freiheitsstrafen ab sechs Monaten bei 86%.
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