Sprachen

Unterricht in den Herkunftssprachen: eine “Privatangelegenheit”, um die sich die Öffentlichkeit kümmern sollte

"Alle sind sich einig, dass der ergänzende Unterricht in Ordnung ist, aber wenn es um die materielle Unterstützung geht, ziehen sich alle zurück und sagen, es sei kein Geld vorhanden"

Die Konferenz in Bern Ende letzter Woche zum Thema “Die Zukunft der Erstsprachen in der Schweiz”  versuchte, die Entwicklung des ergänzenden Unterrichts in den Sprachen der Bevölkerungsgruppen ausländischer Herkunft in der Schweiz zu beleuchten.
 
Die eher stiefmütterliche Behandlung dieses Unterrichts und seine fehlende Integration ins einheimische Schulsystem waren Punkte, über welche sich die meisten Referentinnen und Diskussionsteilnehmer einig waren.
 
“Grundsätzlich sind sich alle einig, dass der muttersprachliche Unterricht in der Schweiz etwas Positives ist, doch wenn die Rede auf die finanzielle Unterstützung kommt, verwerfen die Behörden die Arme und sagen, es sei kein Geld dafür vorhanden.”
 
Ruth Calderón ist Mitautorin einer Studie, über welche an der Konferenz ein Referat mit dem Titel “Ergebnisse einer Untersuchung über die Situation des ergänzenden Unterrichts in der Schweiz” vorgetragen wurde. Das Referat diente anschliessend als Grundlage für eine vielseitige Diskussion über die aktuelle Situation in diesem Bereich. 
 
“Meine Kollegin Rosita Fibbi und ich stellten die Resultate unserer Studie über die Lage des ergänzenden Unterrichts in den Muttersprachen der Bevölkerungsgruppen ausländischer Herkunft in der Schweiz vor. Die Resultate stützen sich auf Untersuchungen, die wir in sechs Kantonen durchführten. Wir befragten die Lehrer zu ihren Arbeitsbedingungen und über allfällige Weiterbildungen, etc.”, sagt Calderón zu albinfo.ch.

Die Studie zeigte, dass es viele Initiativen für unterschiedliche Lösungen des Problems des ergänzenden Unterrichts gibt. Es ist etwa die Rede von einer Organisation innerhalb der Vereine, von Elterninitiativen, etc. “Es scheint, dass die Zukunft diesbezüglich mehr den Vereinen oder privaten Trägern dieses Unterrichts und weniger den Konsulaten gehört”, sagt Calderón.
 
Die Autorinnen der Studie stellten auch fest, dass die ausländischen Lehrer weniger Zugang zu beruflichen Weiterbildungen haben. “Doch rund achtzig Prozent von ihnen bringen eine  gute Berufsausbildung mit, vergleichbar mit derjenigen ihrer Kolleginnen in der Schweiz.”
 
Was die Integration des ergänzenden Unterrichts ins hiesige Schulsystem angeht, ist sie nicht sehr optimistisch. “Doch immerhin gibt es sporadische Ansätze in einigen Kantonen. Der Kanton Zürich steht in dieser Hinsicht besser da als die andern.  Er hat einige Kriterien vorgegeben. Zum Beispiel müssen alle Lehrer ein bestimmtes Niveau deutscher Sprachkenntnisse haben, sie sind zu beruflicher Weiterbildung verpflichtet etc. In diese Richtung geht auch der Kanton Basel Stadt”, sagte die Koautorin der Studie.

 Ruth Calderón: “Die Organisation des albanischen Unterrichts ist ein Vorbild für die andern”

“Doch in den andern Kantonen passiert praktisch nichts. Der eine oder andere der von uns untersuchten Kantone hat nicht einmal Angaben über die Anzahl Schülerinnen und Schüler, die den ergänzenden Unterricht besuchen. In ein paar Kantonen ist nicht einmal der Zugang zu Schulräumen und Unterrichtsmaterialien selbstverständlich!”
 
Die Frage, ob es Schulen gebe, an welchen die ausländischen Lehrer gleich bezahlt würden wie jene der ordentlichen Schule, verneint Calderón. “Wir haben tatsächlich nur zwei kleine Ausnahmen, und diese in Form von Projekten. In Zürich gibt es im Rahmen des Projekts “Limmatschule” einige integrierte Klassen, in welchen die Lehrerinnen bezahlt werden. Etwas Ähnliches gibt es auch in Genf.”
 
Doch im Unterschied zur in den letzten Jahren eher negativen Wahrnehmung des albanischen Unterrichts unter Albanischsprachigen, weiss Calderón die gute Organisation dieser Schule zu schätzen.
 
“In unseren Untersuchungen sahen wir, dass insbesondere die Schule des albanischsprachigen Unterrichts über eine sehr gute Organisation verfügt. Sie haben viele Angebote für die Lehrerinnen und Lehrer. Und wir waren überrascht zu hören, dass der Unterricht nicht vom Staat bezahlt, sondern von einer einfachen privaten Organisation getragen wird, die im Vergleich zu den andern Gruppen trotzdem viel für einen professionellen Umgang mit den Lehrerinnen unternimmt. Das ist sehr erfreulich”, sagte sie.
 
“Doch leider regen nicht alle schweizerischen Lehrer ihre Schüler dazu an, den Unterricht in ihrer Muttersprache zu besuchen. Einige von ihnen haben nicht einmal eine Ahnung davon, worum es geht”, sagt Ruth Calderón zum Abschluss.

Schader präsentiert Texte für den Unterricht in albanischer Sprache

Basil Schader ist ein Dozent mit Erfahrung an der Pädagogischen Hochschule Zürich. In den letzten zwanzig Jahren wurde er durch seine Arbeit auch mit dem ergänzenden Unterricht in albanischer Sprache sehr vertraut. Er studierte Albanisch und schloss inzwischen mit einer Doktorarbeit in Tirana ab. Es lässt sich sagen, dass die albanische Schule in der Schweiz ausserordentliches Glück hatte, da ihr die ausgezeichneten Kompetenzen des Pädagogen und Sprachwissenschaftlers zugute kamen, der beide Sprachen und Schulsysteme kennt.
 
Er war auch in der Leitung verschiedener Arbeits- und Studiengruppen zur Realisierung von Projekten in Prishtina und Tirana für den Unterricht des Albanischen in der Diaspora. An der Konferenz schilderte er zusammen mit Nexhat Maloku, dem Präsidenten des Eltern- und Lehrervereins Naim Frashëri, LAPSH, wie Texte für den ergänzenden Unterricht in albanischer Sprache in der Diaspora ausgearbeitet wurden.
 
“Auf Initiative der kosovarischen Behörden wurden im Rahmen des Curriculums für den Unterricht in der Diaspora achtzehn Arbeitshefte zusammengestellt, je sechs für drei unterschiedliche Niveaus”, erklärte Schader vor einem Auditorium von Lehrern der italienisch-, portugiesisch- und albanischsprachigen Bevölkerungsgruppen.
 
Diese Hefte waren, wie Schader sagte, von zwei Arbeitsgruppen ausgearbeitet worden; eine bestehend aus beruflichen Fachleuten, und die andere aus Lehrerinnen und Lehrern der Diaspora. Der Einbezug letzterer, betonte Schader, war sehr wichtig, denn sie kennen die Praxis des Unterrichts unter den besonderen Bedingungen in der Diaspora. Die Präsentation der in den albanischsprachigen Lehrmitteln angewandten Methodologie erweckte die Neugierde der Lehrer und anderen Anwesenden im Workshop.