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«Sicherheit Schweiz» 2017: Der Nachrichtendienst des Bundes stellt seinen Lagebericht vor
Die Komplexität der Herausforderungen für die sicherheitspolitischen Organe nimmt zu. Eine Tendenz, die sich dadurch kennzeichnet, dass die Zahl relevanter Akteure wächst, das sicherheitspolitische Umfeld fragmentiert wird und das strategische Umfeld der Schweiz durch eine aussergewöhnlich hohe Belastung Europas durch unterschiedliche Krisenlagen geprägt ist. Der jährliche Lagebericht des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) soll helfen, sicherheits-politische Orientierung zu bieten.
Die Krisenlagen Europas, die der NDB seit Jahren an dieser Stelle beschreibt, sind seit dem letztjährigen Bericht durch weitere Elemente verstärkt worden: der Beschluss Grossbritanniens, aus der EU auszutreten, die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der USA und die Verfassungsänderung in der Türkei. Damit erodieren alte Gewissheiten weiter, an ihre Stelle treten fundamentale Unsicherheiten und reduzierte Berechenbarkeit – die Entscheide in Grossbritannien und der USA rütteln auch an den Grundfesten der Sicherheitsarchitektur Europas. Die Ordnung Europas steht unter aussergewöhnlichem Druck, was für das strategische Umfeld der Schweiz nicht ohne Folgen bleibt. Ein bewaffneter Angriff auf die Schweiz bleibt zwar wenig wahrscheinlich. Unverkennbar ist aber nicht allein die Polarisierung, auch unter dem Einfluss von grenzüberschreitenden Beeinflussungs- und Informationsoperationen, sondern zudem eine stärkere Militarisierung auf dem europäischen Kontinent.
Syrien ist in mancher Hinsicht das Epizentrum der Krisenlagen in den Staaten an der östlichen und südlichen Mittelmeerküste. Die Suche nach Lösungen ist noch schwieriger geworden. Die Auswirkungen der Konflikte, die sich als eine komplexe Abfolge von Brüchen quer durch den Nahen und Mittleren Osten ziehen, greifen tief in der kollektiven Psyche besonders der arabischen und sunnitischen Welt. Sie erfassen auch die Sunniten in Europa. Entscheidungen in Syrien und im Irak sind trotz der verstärkten militärischen Operationen nicht absehbar, noch weniger eine politische Lösung. Der «Islamische Staat» spielt in diesen Krisen weiterhin eine zentrale Rolle. Der dschihadistisch motivierte Terrorismus prägt die Bedrohungslage weltweit. Auch in der Schweiz bleibt die terroristische Bedrohung erhöht. Die Bedrohung geht vor allem vom «Islamischen Staat» und durch ihn inspirierte oder gesteuerte Einzelpersonen und Kleingruppen aus. Die Bedrohung durch die Terrorgruppe al-Qaida besteht unverändert.
Die Türkei befindet sich in einer schweren inneren und äusseren Krise. Die Wirren in Syrien und im Irak gefährden in ihrer Wahrnehmung Kerninteressen der nationalen Sicherheit. Der Putschversuch im Sommer 2016 forderte nicht nur die Stabilität der türkischen Institutionen fundamental heraus: Die Reaktion des Präsidenten und dessen effiziente Instrumentalisierung eines breit verankerten türkischen Nationalismus setzten die Beziehungen der Türkei zu Europa neuen Spannungen aus. Die seit einigen Jahren anhaltende Verschlechterung des Verhältnisses zur EU deutet auf eine möglicherweise dauerhafte Beschädigung der Beziehungen hin. Die Türkei ist essenziell für Europa bei der Eindämmung der Flüchtlingsbewegungen und der terroristischen Bedrohung.
Seit April 2016, also nach der Schliessung der sogenannten Balkanroute und dem Abschluss des Abkommens zwischen der EU und der Türkei, ist bei der Migrationsbewegung nach Europa die Spitze des Vorjahres gebrochen, aber der Druck bleibt hoch. Das Potenzial für eine krisenhafte Entwicklung besteht weiterhin und damit auch die Möglichkeit, dass die sicherheitspolitischen Aspekte der Migration schärfer hervortreten. Dies zum einen im Bereich Terrorismus mit Tätern, die auf diesem Weg nach Europa gelangt sind, zum anderen im Bereich Gewaltextremismus. Während die rechtsextreme Szene in der Schweiz bisher nicht wie andernorts in Europa mit Gewalt gegen Asylsuchende oder Infrastruktur und Dienstleister im Asylbereich hervorgetreten ist, hat die linksextreme Szene Migration zu einem ihrer Hauptthemen gemacht und agiert dabei auch gewaltsam. Am ehesten ist es dieses Thema, das die tendenziell beruhigte Lage im Bereich Gewaltextremismus eskalieren lassen könnte – das Gewaltpotenzial hierzu ist weiterhin vorhanden.
Spionage bleibt auch weiterhin ein staatliches Instrument zur Informationsbeschaffung. Spioniert wird auch in der Schweiz – gegen die Schweiz ebenso wie gegen hier ansässige internationale Organisationen und Nichtregierungsorganisationen. Vermehrt erregen Sabotageaktivitäten im Cyberraum globale Aufmerksamkeit. Staaten, die über eigene offensive Cyberkapazitäten verfügen, entwickeln diese intensiv weiter. Nachdem die Snowden-Veröffentlichungen tiefe Einblicke in die Cyberkapazitäten der USA und ihrer Verbündeten im Rahmen der 5-Eyes-Staaten (USA, Grossbritannien, Kanada, Australien, Neuseeland) vermittelten, nehmen gegenwärtig insbesondere Aktivitäten aus dem russischen Raum im Cyberspace an Aggressivität zu. Staaten ohne eigene offensive Mittel setzen vermehrt auf die Angebote von Hackergruppierungen. Zwischenstaatliche Konflikte werden vermehrt auch im virtuellen Raum ausgetragen.
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