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Schweiz steht Modell für Altersheime in Kosova

"Wichtiger als der Bau des Altersheims ist die Weiterbildung der Betreuungspersonen aus Kosovo in entsprechenden Heimen in der Schweiz, um hier gewonnene berufliche Kompetenzen weiterzugeben"

Für die Bewohner des Zürcher Alterszentrums Doldertal für Menschen mit Demenz ist es die letzte Herberge im Leben. Die nächste ist das Grab. Wenn diese Beschreibung auch düster klingen mag, so ist das an Zürichs malerischem Dolderberg gelegene Zentrum doch eines der fortschrittlichsten seiner Art in der Schweiz. Für die 28 Bewohnerinnen sorgen rund um die Uhr 22 Angestellte. Die meisten der letzteren sind ausländischer Herkunft, mindestens vier von ihnen albanischsprachig.

Wie die jetzige Pflegedienstleiterin Bernadette Meier und der frühere Pflegedienstleiter Fadil Kqiku erklären, sind die Bedingungen in diesem Zentrum ideal für den Zustand, in welchem sich die Bewohner befinden. Diese benötigen ganztägige Pflege von Betreuenden, da ihr Zustand es ihnen verunmöglicht, selbst für sich zu schauen. Bis zu 16‘000 Franken kostet die ganze „Pension“ in diesem Zentrum. In den meisten Fällen zahlen die Betreuten oder ihre Angehörigen selbst, in einigen Fällen übernimmt der Staat die Kosten.

Bernadette Meier führt die kosovarische Delegation mit Diasporaminister Ibrahim Makolli, Mitrovicas Stadtpräsidenten Agim Bahtiri und dem kosovarischen Konsul in Zürich, Sali Sefa, durch die Räume der Institution. Das Haus mit dem schönen Hof, der einen für einen Augenblick vergessen lässt, dass seine Bewohner mehrheitlich kein Bewusstsein mehr für die sie umgebende Wirklichkeit haben, könnte ohne weiteres „Altersgarten“ genannt werden. Wir gehen an den alten Frauen und Männern vorüber und sie schauen uns mit leeren Blicken an, ohne zu wissen, um was es geht.

Die Delegation aus Kosova gewinnt bei diesem Besuch Erfahrungen, die sie eines Tages auch in die Altersheime in Kosova bringen möchte, wo es bis jetzt sozusagen keine gibt. Die Notwendigkeit, in Mitrovica ein solches Heim in Betrieb zu nehmen und die Auseinandersetzung mit schweizerischen Erfahrungen brachten den Stadtpräsidenten Mitrovicas und den Minister für Diasporafragen nach Zürich.

Fruchtbare Treffen

„In Mitrovica haben wir ein vor ein paar Jahren als Altersheim errichtetes Gebäude, das jedoch anderweitig genutzt wird. Dieses Gebäude mit 22 Zimmern möchten wir nun seiner vorgesehenen Funktion entsprechend in Betrieb nehmen. Wir brauchen dazu aber Hilfe, auch finanzielle, in erster Linie jedoch professionelle, aus dem Ausland beziehungsweise der Schweiz“, sagt der Mitrovicer Stadtpräsident Agim Bahtiri. Er betont, dass bei den Treffen mit dem Direktor der Zürcher Pflegezentren, Kurt Meier, und dem Vizedirektor René Zaugg Unterstützung in verschiedener Hinsicht versprochen wurde.

„Die besprochenen Optionen betrafen erstens die Adaption des Gebäudes an seine Funktion als Altersheim, und zweitens den Plan, unsere Betreuungspersonen zur Weiterbildung und beruflichen Qualifikation in die Schweiz schicken zu können“, sagt Bahtiri zu albinfo.ch. Er versichert seinerseits, dass auf das Engagement der Gemeinde in dieser Sache stets Verlass sein werde.

Der Konsul der Republik Kosovo in Zürich, Sali Sefa, beurteilt die Zusammenkünfte vom Dienstag als äusserst fruchtbar.

„Es war vor einigen Monaten, als ich von der Initiative unseres Landsmanns und Arztes Bahri Rexha und dem Gerontologen Christoph Held erfuhr. Ich unterstützte sie nach Kräften. Die Initiative gilt der Anpassung des existierenden Gebäudes in Mitrovica als Altersheim, doch mehr Bedeutung für mich hat die im Projekt vorgesehene Ausbildung von Pflegefachleuten aus Kosova in entsprechenden Institutionen in der Schweiz“, sagt der Konsul. „Heute fand ein sehr entscheidender Schritt statt“, fügt er hinzu, „denn der Direktor der Zürcher Pflegezentren versprach die Aufnahme einer Gruppe von Medizintechnikern, um sie während eines halben bis ganzen Jahrs in der Schweiz beruflich weiterzubilden.“

Bald werden Kandidatinnen für die Weiterbildung in der Schweiz ausgewählt

„Sie versprachen, sobald wie möglich mit den zuständigen Bundesbehörden über den Aufenthalt der für Weiterbildungszwecke aus Kosovo kommenden Personen und über die nötige Visaerteilung zu sprechen. Unser Konsulat, das eine Brückenrolle zwischen den beiden Ländern einnimmt, hat die Aufgabe, möglichst schnell eine erste Gruppe für die Reise in die Schweiz vorzubereiten. Wir möchten, dass die Kandidaten der ersten Gruppe wirklich gut ausgewählt werden und Deutsch können“, sagte Sefa.

Laut ihm gibt es in Kosova über 6000 arbeitslose Gesundheitsfachleute mit Mittelschulbildung; allein in Mitrovica sind es 780. In der Schweiz andrerseits besteht ein Bedarf an 25‘000 Berufsleuten dieses Profils, was der Nachfrage letzterer entgegenkommt.

„Kommt das geplante Abkommen zur Weiterbildung unserer Gesundheitsfachleute in der Schweiz zustande, dann kann ein Teil der Leute auch hier bleiben zum Arbeiten. Es gilt aber auch die Vorteile zu beachten, den diese Berufsleute nach Kosovo zurückbringen werden. Wer hier selbst beruflich qualifiziert wird, gibt diese Qualifikationen auch an seine neuen Mitarbeiter in Kosovo weiter“, unterstreicht Sefa.

Auf der andern Seite sehen die Schweizer Partner in einer zweiten Planungsphase auch die Möglichkeit vor, dass in Kosova auch Altersheime für Schweizer Alte gebaut werden, die nach schweizerischen Standards, jedoch zu bestimmt viel niedrigeren
Kosten betreut würden“, schliesst der kosovarische Konsul von Zürich, Sali Sefa.

Christoph Held, ausgewiesener Gerontologe mit langjähriger Erfahrung in der Altenpflege und -betreuung, berichtet gegenüber albinfo.ch, dass seine albanischen Freunde, insbesondere der Arzt Bahri Rexha, ausgehend von Erfahrungen in der Schweiz die Idee hatten, etwas Ähnliches auch für Kosovo zu machen. „Ich schloss mich dieser Idee an und bin nun schon mehrmals in Kosovo gewesen. Mit zunehmender Alterung der Gesellschaft nimmt auch in Kosovo der Bedarf für Pflege und Betreuung der alten Menschen zu, doch in Kosovo fehlen, im Unterschied zur Schweiz, entsprechende Strukturen fast gänzlich. Wir planen den Aufbau von Altersheimen in Kosovo nach schweizerischen Standards. In Kosovo würden solche Institutionen in erster Linie für die einheimische Bevölkerung errichtet, doch wenn da mit der Zeit auch Schweizerinnen oder Kosovaren, die in der Schweiz gelebt haben, einzögen, umso besser. Wir können aus der Schweiz die dafür nötige Kompetenz beitragen, eine Kompetenz, die von jenen, die bei uns ausgebildet werden, auch weitergegeben wird“, erläutert Held. „Die finanzielle Seite stellt sicher ein Problem dar, doch wir werden  diesbezüglich bemüht sein, uns mit privaten Partnern, Angehörigen der Alten und den lokalen Behörden zu verbinden. So hoffen wir unser Projekt voranzubringen. Es ist nicht ein Projekt, das irgendwo in Brüsseler Büros entstand, sondern eines, das sich aus der Basis entwickelte, bei den Kosovarinnen und Kosovaren, die in diesem Bereich in der Schweiz arbeiteten“, schliesst Held.

Blerim Shabani