Entwicklung

Die Jugend von Kosovo braucht Perspektiven im eigenen Land

Interview mit Heini Conrad, Landesdirektor von Helvetas in Kosovo

  • albinfo.ch: Heini Conrad, Landes Direktor von HELVETAS in Kosovo

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Seit 2001 ist Intercooperation in der Entwicklungszusammenarbeit in Kosovo tätig; 2012 fusionierte die Organisation mit Helvetas und heisst seither Helvetas Swiss Intercooperation. Mit ihren verschiedenen Projekten strebt Helvetas eine Verbesserung der Lebenssituation der Bevölkerung von Kosovo an. In diesem Interview gibt Heini Conrad, Landesdirektor von Helvetas, Auskunft über die Arbeit seiner Organisation in Kosovo.

Albinfo.ch: Herr Conrad, wer ist Helvetas und was ist seine Rolle in Kosovo?    

Heini Conrad: Helvetas Swiss Intercooperation ist heute die grösste Schweizerische Nichtstaatliche Organisation, die in der Entwicklungszusammenarbeit tätig ist. Helvetas arbeitet in über 30 Ländern; insgesamt arbeiten etwa 1’200 Mittarbeiter weltweit in den verschiedenen Projekten; in der Schweiz sind rund 120 Mitarbeiter tätig. In Kosovo zählen wir 30 Mitarbeiter in drei Programmen; 28 unserer Mitarbeiter sind Einheimische, nur zwei, darunter ich selber, sind Ausländer. Wir führen zur Hauptsache Programmen für die schweizerische Entwicklungszusammenarbeit der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) durch. Kosovo ist das fünftgrösste Landesprogramm, das Helvetas hat; momentan beträgt das Jahresbudget fast 6 Millionen CHF.

Im Albinfo erschienen 2014 bereits einige Artikel über die Aktivitäten der Helvetas Programme in Kosovo, wo liegen die Schwerpunkte Ihres gesamten Programmes?

Unsere Programme heute sind; seit 2013 EYE (Enhance Youth Employment) und S4RE (Skills for Rural Emplyment); dann DEMOS (Decentralisation and Municipal Support) seit Juni 2014. Der Schwerpunkt der unserer Arbeit in Kosovo ist in der Unterstützung der wirtschaftlichen Entwicklung mit dem Schwerpunkt Jobs für Jugendliche zu schaffen. Dazu gehören die Aktivitäten von EYE und S4RE, wo auch bessere Ausbildung eine wichtige Rolle spielt. Dann lokale Verwaltung, wo wir mit DEMOS die Gemeinden in ihrer Arbeit unterstützen.

Über die Jahre haben sich unsere Kompetenzen erweitert. Wir haben mit einem grossen und langjährigen Projekt in der Landwirtschaft, begonnen, mit dem Gemüse- und Früchteanbau Projekt Horticulture Promotion Kosovo, das von 2001 bis 2012 lief, und später kam LOGOS (ab 2006) in Lokaler Verwaltung dazu. Darauf aufbauend ist es uns gelungen neue Projekte zu erhalten, vornehmlich von DEZA, aber auch eigenfinanzierte Projekte zusammen mit anderen Sponsoren, wie USAid und Medicor Stiftung.

In welchen Bereichen arbeitet DEMOS?

Im Wesentlichen geht es darum den Einwohnern in den Gemeinden bessere Dienstleistungen zu bieten. DEMOS arbeitet mit 17 Gemeinden zusammen, dies bedeutet fast die Hälfte aller Gemeinden in Kosovo. Das Projekt konzentriert sich drei Bereiche des Gemeindeservices: Abfallbewirtschaftung; öffentlichen Plätze; und lokale Mobilität (öffentliche Verkehrsmittel, Autoverkehr, Parkplätze, usw.)

Arbeiten Sie mit Regierungsstellen zusammen?

Der Erfolg unserer Programme hängt unter anderem von der guten Zusammenarbeit mit einigen Ministerien ab. Das Arbeitsministerium ist ein Partner von EYE; DEMOS arbeitet mit dem Ministerium für lokale Verwaltung zusammen. Für Ausbildungsfragen ist das Bildungsministerium zuständig; die Gemeinden hängen für Planung und Finanzfluss stark vom Finanzministerium ab. DEMOS berät die Gemeinden auch in diesen Belangen.

Und, arbeiten Sie mit NGO’s zusammen?

Wir haben eher wenige Partnerschaften mit NGO’s. Um Systemänderung zu bewirken arbeiten wir möglichst direkt mit Akteuren der verschiedenen Bereiche zusammen; Marktteilnehmer, Abteilungen der Ministerien, und Gemeinden. Wir arbeiten vornehmlich lokal, weil wir davon ausgehen, dass später die Arbeit von einheimischen Fachleuten gemacht werden soll. Wo wir diese nicht finden, ziehen wir regionale oder internationale Spezialisten hinzu. Selbstverständlich arbeiten wir mit lokalen Vereinigungen und Interessenvertretern zusammen.

Und, was ist der Zweck der Unterstützung von Helvetas in Kosovo?

Wir versuchen zu verstehen, wer die richtigen Partner sind, die auch in Zukunft diese Aufgaben wahrnehmen werden. Dies kann in der wirtschaftlichen Entwicklung die Chancen erhöhen, dass die Unternehmen erfolgreich sind und wachsen, sodass mehr Jobs und mehr Einkommen entstehen können. Mehr Wohlstand für mehr Leute im Kosovo ist das grosse Ziel.

Heisst es, dass es durch diesen vier Projekten (Programmen) realisieren wird?

Der Erfolg unser Arbeit hängt von zwei Hauptfaktoren ab; zunächst sind es die Partner; wie weit sind sie bereit sich aus eigener Initiative zu verbessern und haben sie die dazu nötigen Rahmenbedingungen. Dazu gehören auch die Mittel, die zum einen Teil durch die DEZA über unsere Programme bereitgestellt werden, aber auch den eigenen Beitrag, die nötigen Investitionen vom Partner selber; ohne Eigeninitiative geht es nicht. Das sind die Elemente, die wir versuchen zusammenzubringen. Damit dies gelingt, müssen wir auch fähig sein, die kulturellen Unterschiede zu überbrücken; also verstehen, wo wir sind, was hier möglich ist und was nicht.

Derzeit seid ihr in zwei Gebieten tätig, in Sharr Gebirge und in den östlichen Teil Kosovo’s bzw. Kamenicë und Novobërdë, stimmt das?

Das ist richtig für S4RE, aber Helvetas kooperiert mit dem EYE Projekt über das ganze Territorium von Kosovo. Wir sind im Moment noch etwas zu sehr auf Firmen in Prishtina konzentriert; aber auch so arbeiten wir z.B. mit den grösseren Supermarket Ketten: Viva Fresh und Meridian. Die sind aber über das ganze Land verteilt.

DEMOS unterstützt 17 Gemeinden, das sind fast die Hälfte aller Gemeinden Kosovo’s; einerseits im Südosten, um Viti, Gjilan, Kamenica, usw. und neu ist jetzt auch Prishtina, dabei, und die Gemeinden Rahovec, Gjakova, Junik und Peja. Es sind vor allem Gemeinden, die Interesse an Neuerungen und Verbesserungen zeigen und gut arbeiten. Sie werden vom Ministerium für lokale Verwaltung mit verschiedenen Kriterien bewertet. Wir nehmen diese Kriterien und machen noch zusätzliche Untersuchungen.

Gibt es Gemeinden mit welche Sie keine Zusammenarbeit haben, für einen oder anderen Grund?

Wir arbeiten nicht mit den Gemeinden zusammen wo es Korruption gibt oder wenn die Bürgermeister oder andere Gemeinderepräsentanten in eine Untersuchung verwickelt sind oder unter Korruptionsverdacht stehen.

Hingegen kriegen Gemeinden, die gut arbeiten, Unterstützung, wenn sie Projekte vorschlagen. Es ist nicht so, dass wir raufgehen und sagen, in eurer Gemeinde braucht es einen Bus. Wenn sie das planen, dann kann das durch DEMOS in der Realisierung unterstützt werden. Wenn jedoch keine entsprechende Anfrage kommt, dann gibt es auch kein Projekt.

Durch welche Projekte haben Sie bis jetzt mehr Erfolg gehabt?

Das ist ganz klar, es sind S4RE und EYE die schon zwei Jahre laufen; DEMOS ist noch ganz am Anfang, es ist noch zu früh von Erfolg zu sprechen. EYE und S4RE zielen speziell auf Beschäftigungsmöglichkeiten ab, da bin ich mit dem Erreichten sehr zufrieden. Über S4RE haben wir schon verschiedentlich in albinfo.ch berichtet. S4RE ist es gelungen jungen Leuten in ländlichen, abgelegenen Gebieten neue Perspektiven aufzuzeigen und Einkommen zu schaffen; in den letzten Jahren sind es alleine 440 Jugendliche, die neue Beschäftigung gefunden haben.

Wir sind auch sehr zufrieden mit EYE, wir wissen nun besser was funktioniert, und wir sehen, dass es zwei Arten von Unternehmen gibt, wo wir erste Erfolge haben. Einerseits mit grösseren Firmen wie z.B. die Firma „Rugove“, die Wasser und Käse produzieren. Sie hat mit unserer Unterstützung eine neue Strategie ausgearbeitet und arbeitet erfolgreich. Die Firma wächst und kann mehr Jobs anbieten.

Dann gibt es junge innovative Firmen, die Dienstleistungen in der Schweiz und Deutschland in Marktforschung und Marketing anbieten, welche sie durch Angestellte in Kosovo erstellen lassen, also die Fachkompetenzen junger Leute hier nutzen und mit dieser Auslagerung dank den billigeren Lohnkosten im Kosovo günstig anbieten können. Diese Firmen wie „Baruti“, „Mik Agency“ sind in kurzer Zeit stark gewachsen und haben schon über hundert neue Arbeitsplätze geschaffen.

Sind Sie beschäftigt auch in Arbeitsvermittlung zwischen Kosovo und Ausland?

Nein direkte Arbeitsvermittlung vom Kosovo ins Ausland haben wir bis jetzt noch nicht gemacht. Wir sind aber interessiert welche Möglichkeiten sich dort eventuell bieten, aber zuallererst sind, möchten wir, dass neue Jobs hier im Lande entstehen. Deswegen sind die oben erwähnten Beispiele von Firmen, welche die Arbeit in Kosovo machen so interessant.