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Neuer, besserer Corona-Virus-Schnelltest
Bis eEin neuer, vom PSI entwickelter Test, der anders als Antigen-Tests nicht direkt Bestandteile des Virus nachweist, sondern die Antikörper, die das Immunsystem als Reaktion auf die Infektion produziert, verspricht nun erheblich mehr Aussagekraft
Forschende des Paul Scherrer Instituts PSI und der Universität Basel haben einen Covid-19-Schnelltest entwickelt. Sein neuartiges Funktionsprinzip verspricht zuverlässige und quantifizierbare Aussagen über die Covid-19-Erkrankung eines Patienten und deren Verlauf – sowie Aussagen zu möglichen anderen Erkrankungen und Covid-Varianten. Bis er zum Einsatz kommen kann, muss er allerdings noch weiter getestet und optimiert werden. Über ihre Entwicklung berichten die Forschenden im Fachjournal ACS Applied Nanomaterials.
Ein grosses Manko von Antigen-Schnelltests – das hat zuletzt die Studie einer Forschungsgruppe um Heinrich Scheiblauer vom deutschen Paul-Ehrlich-Institut nachgewiesen – ist ihre fehlende Zuverlässigkeit. Jedes fünfte von 122 überprüften Testkits verschiedener Hersteller fiel durch und genügte nicht einmal der Minimalanforderung, 75 Prozent der mit hoher Viruslast betroffenen Probanden als Corona-positiv zu erkennen. Ein weiteres Manko: Die Tests sagen nur, ob der Proband infiziert ist oder nicht. Aber sie liefern keine Information über den Verlauf der Infektion beziehungsweise der Immunreaktion der Probanden.
Ein neuer, vom PSI entwickelter Test, der anders als Antigen-Tests nicht direkt Bestandteile des Virus nachweist, sondern die Antikörper, die das Immunsystem als Reaktion auf die Infektion produziert, verspricht nun erheblich mehr Aussagekraft. Er ist genauso günstig, schnell und einfach zu handhaben, zudem lassen sich mit ihm verschiedene Erreger gleichzeitig identifizieren – etwa die der Grippe. «Damit liefert er auch mehr Daten als bisherige Antikörper-Schnelltests, die dem Nachweis dienen, ob jemand bereits eine Corona-Infektion hinter sich hat», sagt Yasin Ekinci, Leiter des Labors für Röntgen-Nanowissenschaften und -Technologien am PSI, der das Projekt zur Entwicklung des Tests betreut hat.
Der zentrale Baustein des Tests besteht aus einer kleinen rechteckigen Scheibe normalen Plexiglases, die dem Objektträger eines Mikroskops sehr ähnlich ist. Sie besteht aus zwei Schichten: Die untere ist einen Millimeter dick, die obere 0,2 Millimeter. In die untere haben die Forschenden per Elektronenstrahl-Lithografie – einem extrem präzisen Verfahren zum Fräsen von festen Materialien, das sonst etwa in der Herstellung von Computerchips eingesetzt wird – ein Relief geprägt. Nachdem sie diese Master-Vorlage so erstellt hatten, nutzten die Forschenden diese für die sogenannte Nanoimprint-Lithografie, was den Prägevorgang erheblich beschleunigt und vergünstigt.
Multifunktionale Mikrostruktur
Mit der dünnen Plexiglasschicht als Deckel weist die Scheibe nun drei parallel verlaufende Kanäle auf, durch die eine Flüssigkeit von einem Ende der Scheibe zum anderen strömen kann. Jeder von ihnen ist beim Einlass 300 Mikrometer (also 0,3 Millimeter) breit und 3,4 Mikrometer hoch. Am Auslass sind die Kanäle fünf Mal so breit, aber nur einen Mikrometer hoch. Zwischendrin verjüngt sich der Kanal entlang einer gewissen Strecke auf nur wenige Mikrometer Breite, und an einer Stelle ist er nur 0,8 Mikrometer hoch – etwa 100 Mal dünner als ein menschliches Haar.
«Diese spezielle Struktur der Kanäle dient gleich mehreren Zwecken», sagt Studien-Erstautor Thomas Mortelmans, Doktorand am Swiss Nanoscience Institute der Universität Basel, der seine Arbeiten im Labor für Röntgen-Nanowissenschaften und -Technologien des PSI durchführte. Zum einen sorgt sie für einen starken Kapillareffekt, wie man ihn sonst etwa von den Leitungsbahnen der Bäume kennt, die so das Wasser aus ihren Wurzeln in ihre Kronen leiten. Dafür ist keinerlei Pumpe notwendig. Die Kraft resultiert aus der Grenzflächenspannung zwischen Flüssigkeit und fester Oberfläche. Sie saugt das Wasser quasi durch die engen Bahnen. Genauso geschieht es bei den Kanälen im Plexiglas – nur, dass hier statt des Wassers ein Bluttröpfchen hindurchströmt.
Entscheidend für den Test ist eine Passage, auf der die Höhe des Kanals von 3,4 auf 0,8 Mikrometer sinkt. In dieser von den Forschenden sogenannten „Einfangregion“ bleiben zuvor dem Blut zugesetzte Partikel an vordefinierten Stellen stecken – je nachdem, welche Erreger im Blut vorliegen. «Für den Test würde der Proband zum Arzt oder in ein Testzentrum gehen», erläutert Mortelmans. Dort entnimmt man ihm wie bei einem Zuckertest mit einem Piks in den Finger ein Tröpfchen Blut. In das Blut mischt man eine Flüssigkeit, in der spezielle künstliche Nanopartikel schwimmen. Deren Oberfläche hat die gleiche Struktur wie die berüchtigten Spike-Proteine des Sars-CoV-2-Virus, an die die Antikörper des Menschen andocken, um die Krankheit zu bekämpfen. Ausserdem werden kleine fluoreszierende Teilchen beigemischt, die sich an die Sars-CoV-2-Antikörper des Menschen anheften.
Das heisst also: Befinden sich Antikörper gegen Sars-CoV-2 im zu testenden Blut, heften sich ihnen zunächst die fluoreszierenden Teilchen an, und gemeinsam binden sie dann an die Virus-artigen Strukturen der deutlich grösseren Nanopartikel und bleiben mit diesen an eben jener vordefinierten Stelle stecken, die dem Durchmesser dieser Nanopartikel entspricht. «Das ist dort, wo der Kanal genau 2,8 Mikrometer hoch ist», sagt Mortelmans. An dieser Stelle sammeln sich nun die Nanopartikel, an denen Antikörper des Menschen samt ihrer leuchtenden Anhängsel angedockt sind. Legt man die Scheibe unter ein Fluoreszenz-Mikroskop, kann man das Leuchtsignal erkennen. Es ist umso heller, je mehr Antikörper der Patient gebildet hat. Je deutlicher das Signal, desto stärker also die Immunreaktion. So lässt sich Covid-19 eindeutig diagnostizieren. «Ausserdem kann man anhand der Signalstärke erkennen, ob das Immunsystem gut reagiert und ein milder Verlauf zu erwarten ist – oder ob es womöglich sogar überreagiert und Komplikationen drohen», erläutert Mortelmans.
Ein Schnelltest mit vielen Möglichkeiten
Eine Verstopfung des Kanals durch andere Partikel im Blut ist nicht zu befürchten. Die Viren selbst sind nur rund 0,12 Mikrometer gross und fliessen ohne Widerstand hindurch. Einzig die roten Blutzellen sind neben den Nanopartikeln grösser als die engste Stelle des Kanals. «Am Anfang unserer Entwicklung haben sie tatsächlich noch Probleme gemacht», sagt Mortelmans. «Doch wir haben den Kanal so optimiert, dass sie nun durchrutschen.» Dabei machen die Forschenden sich zunutze, dass die Zellen flexibel und zusammenpressbar sind: «Die Kapillarkraft ist jetzt so gross, dass sie die Blutzellen durch jede Verengung des Kanals quetscht.»
Der Test eröffnet noch mehr Möglichkeiten als nur Covid-19 zu diagnostizieren. Zusätzlich könnte man Nanopartikel anderer Grösse und mit anderen Oberflächenstrukturen ins Blut mischen und damit parallel auf weitere Krankheiten testen. In der Studie hat Mortelmans dies etwa mit Partikeln getan, deren Oberfläche Influenza-A-Viren entsprechen. So leuchteten bei den Versuchen also zwei Stellen der Einfangregion auf: eine für Covid-19 und eine für die Grippe.
Ausserdem ist es möglich, verschiedene Antikörper, die das Immunsystem in den unterschiedlichen Stadien der Erkrankung produziert, zu identifizieren. Man könnte zum Beispiel grün fluoreszierende Teilchen verwenden, die sich nur an Antikörper heften, die zu Beginn einer Infektion auftreten und rot leuchtende Teilchen für Antikörper in späteren Stadien. «Der Test lässt sich vielfach erweitern», sagt Mortelmans. «Wir könnten ohne Probleme beispielsweise zehn verschiedene Krankheiten in einem testen und dazu noch vier Farben verwenden.» Ausserdem liesse sich natürlich die Zahl der Kanäle erhöhen, um noch mehr Varianten durchzutesten. Der zweite und dritte Kanal sind im Prinzip nur da, um das Ergebnis des ersten zu bestätigen. Man könnte aber auch unterschiedliche Tests in ihnen durchführen. «Im Prinzip haben wir hier ein System ähnlich wie Lego, bei dem man verschiedene Bauteile kombinieren kann», sagt Projektleiter Yasin Ekinci.
Begonnen haben die Forschenden mit ihren Arbeiten zu dem neuen Test bereits kurz nach Beginn der Corona-Pandemie. «Wir waren zu der Zeit mit einem Diagnose-Test für Parkinson beschäftigt», erzählt Ekinci. «Als die Pandemie dann um sich griff, haben wir uns gefragt, wie wir als Forschungsinstitut einen Beitrag leisten können, sie zu überwinden.» Weil der Test jedoch so neuartig ist, anfangs noch wenig über das Virus bekannt und auch schwer an Patientenproben heranzukommen war, nahm die Entwicklung viel Zeit in Anspruch.
Für die Studie wurde das Gerät mit 29 Blutproben getestet – 19 davon stammten von infizierten, 10 von nicht infizierten Personen. Bis auf einen falsch-negativen Fall lag der Test stets richtig. Beim Nachtesten wurde auch dieser erkannt. «Natürlich müssen wir für eine fundierte Aussage über die Zuverlässigkeit noch viel mehr Testungen durchführen, und es gibt noch eine Menge Verbesserungspotenzial. Aber das ist schon sehr vielversprechend», urteilt Ekinci.
Im Übrigen soll der Test noch einfacher in der Durchführung werden. «Wir arbeiten daran, dass er genauso gut mit Speichel statt Blut durchführbar ist», berichtet Mortelmans. «Ausserdem wollen wir erreichen, dass statt des Mikroskops eine Handykamera das Auslesen der Signale übernehmen kann. Moderne Geräte sind dazu inzwischen in der Lage.» Aktuell dauert ein solcher Test zwischen 10 und 30 Minuten. Er liesse sich aber auch in zwei Minuten durchführen; dahingehend wird er zurzeit optimiert. «Unsere Vision ist eine Technologie», so Ekinci, «mit der wir mehrere Krankheiten und auch Varianten von Covid und Grippe gleichzeitig per Handy zuverlässig, schnell und günstig diagnostizieren können. Unser neuartiges Konzept ist in der Lage, dies zu realisieren.»
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