Integration
Jeton Tolaj: Die Schweiz profitiert von der Verbindung zweier Kulturen
"Ich denke, die Kombination dieser beiden Länder und Kulturen ist einzigartig. Die Albaner sind robust, lieben das Unternehmertum und suchen den Erfolg. Die Schweizer demgegenüber sind bodenständig, realistisch und legen Wert auf Sicherheit und Tradition"
Jeton Tolaj ist dipl. Baumeiser und CEO der Wirz Unternehmungen, eines traditionsreichen Berner Bauunternehmens.
Herr Tolaj, sie sind CEO eines über 100 Jahre alten Berner Bauunternehmens. Wie kam es dazu?
JT: Ich bin seit meiner Lehre in dieser Unternehmung tätig. Ich begann als Maurerlehrling, wurde dann Bauführerpraktikant, später Bauführer und schliesslich Baumeister.
Eines Tages kontaktierte mich der Inhaber und lud mich zu einem Mittagessen ein. Er bot mir an, die Geschäftsführung der Bauunternehmung zu übernehmen. Ich sagte freudig zu. Zwei Jahre später übernahm ich dann die Funktion als CEO der Wirz Unternehmungen – ein Job, den ich nun seit fünf Jahren ausübe.
Die Zeit vergeht – aber ja, wohl eine Bilderbuchkarriere :- )
Wie führt man als Nicht-Familienmitglied ein Familienunternehmen?
JT: Im Prinzip bin ich ja ein Mitglied der Familie, wenn auch die Familie eine geschäftliche ist. Ich spüre, dass das Vertrauen der Eigentümer-Familie zu 100% da ist – und meine Kompetenzen sind so gross, dass ich meine Funktion so ausfüllen kann, als wäre es mein eigenes Unternehmen. Ich bin mir sogar sicher, dass ich mich in dieser Konstellation sogar noch mehr unter Druck setze, gute Leistungen abzurufen und erfolgreich zu sein, als wenn ich selber Inhaber wäre.
Was sind die Herausforderungen? Was die Chancen?
JT: Da die Nachfrage nach Wohneigentum und Mietwohnungen nach wie vor hoch ist, sind unsere Aussichten am Markt ausgezeichnet. Unser Markt ist die Region Bern. Hier sind wir gut vernetzt und auch Mitglied in diversen Baugenossenschaften.
Und doch gibt es viele Herausforderungen.
In der Innenperspektive ist namentlich das Führen von ganz verschiedenen Berufsgruppen innerhalb unserer vier Abteilungen, namentlich das Kader, das technische und kaufmännische Personal sowie das Frontpersonal auf den Baustellen. Das verlangt viel Fingerspitzengefühl und Einfühlungsvermögen.
Auch beschäftigt mich die Digitalisierung und die Work-Life-Balance in den Bauberufen, insbesondere mit Blick auf die kommende Generation. Sowie der Fachkräftemangel, denn nur gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sichern unseren langfristigen Erfolg.
In der Aussenperspektive ist die hauptsächliche Herausforderung die geopolitische Lage – negative Auswirkungen können sehr schnell und schmerzhaft auf den Schweizer Markt durchschlagen. Wie wir es eben mit dem Ukraine Krieg erfahren haben. Plötzlich haben wir eine Energiekrise, die eine Inflation nach sich zieht.
Haben die letzten zwei, drei Jahre Ihren Blick auf die Arbeit verändert?
JT: Ja, ich bin im Beruf viel resistenter geworden.
Führen Sie heute anders? Vielleicht empathischer? Oder gar strenger?
JT: Entscheidend ist es meines Erachtens, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein ebenso glaubwürdiges wie authentisches Vorbild zu sein und den Beruf mit Leidenschaft auszufüllen. Ich habe – glücklicherweise – ein sehr gutes Bauchgefühl und erkenne früh Probleme. So kann ich auch früh korrigierend einwirken und das Unternehmen wie auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf den richtigen Weg führen bzw. sie auf dem richtigen Weg halten.
Welche Stärken kann die schweiz-albanische Community in die Schweizer Wirtschaft einbringen?
JT: Ich denke, die Kombination dieser beiden Länder und Kulturen ist einzigartig. Die Albaner sind robust, lieben das Unternehmertum und suchen den Erfolg. Die Schweizer demgegenüber sind bodenständig, realistisch und legen Wert auf Sicherheit und Tradition. Wenn man von beiden Kulturen die Stärken vereint, dann kann die Schweizer Wirtschaft nur davon profitieren.
Wie siehst Sie die Zukunftsaussichten der Baubranche?
JT: Die Aussichten in unserem Markt – der Region Bern – sind ausgezeichnet. Es wird viel gebaut und für die Zukunft geplant. Der gegenwärtige Fachkräftemangel wird die Branche zwar bremsen. Die tut aber dem Markt meines Erachtens sogar gut, da die Firmen dann nur noch die Projekte offerieren, für die sie auch die Ressourcen haben.
Die globale Situation, insbesondere die Energiekrise und die damit verknüpfte Teuerung, können die Aussichten für das Jahr 2023 allerdings noch trüben und die Ausgangslage deutlich erschweren.
Und wie die der Schweizer Wirtschaft insgesamt?
JT: Ich befürchte, dass wir uns in die Richtung einer Rezession bewegen, was für die Wirtschaft nichts Gutes wäre. Die Politik muss zwingend schnell und vorausschauend reagieren, vor allem bei der Energiepolitik. Sonst stehen uns kurzfristig harte Jahre bevor.
Jede Krise birgt aber auch Positives: Es kann zu einer Marktbereinigung führen und es können sich neue Opportunitäten ergeben. Mit Blick in die Wirtschaftsgeschichte: Nach jeder Krise kam es zu einem wirtschaftlichen Aufschwung – hoffen wir, dass die Krise nicht zu lange dauert.
Was sind Ihre persönlichen Ziele?
JT: Dass meine Familie und ich gesund bleiben. Und dass die Unternehmen, die ich führe, diese Krise gut überstehen. Auch möchte in den nächsten Jahren in externen Verwaltungsratsmandaten meine Erfahrung weitergeben können.
Heute Abend: swissalbs Unternehmerpreis
Am 26. November 2022 vergibt #swissalbs, die Dachorganisation für die schweizerisch-albanische Community, zum zweiten Mal in Zürich den swissalbs Unternehmerpreis. In der Jury sind FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt, Vllaznim Xhiha, Nadine Jürgensen, Roland Brack und Jeton Tola.
albinfo.ch ist Mediensponsor dieser Veranstaltung.
Michel Pernet hat namens von #swissalbs mit den Jury-Mitgliedern je ein Interview gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation und zu ihrer unternehmerischen Vita geführt.
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