Nachrichten

Unternehmen schliessen und verlassen Kosovo

Er kam vor einigen Jahren von Deutschland nach Kosovo, um in eine Fabrik für Plastikrecycling zu investieren

Anfänglich schien ihm Kosovo ein geeignetes Land für Investitionen zu sein, doch nun wird Gazmend Mustafa Kosovo nach nur wenigen Jahren wieder verlassen, die Maschinen seiner Fabrik “Beli-Eurofol” hingegen wird er ins benachbarte Makedonien transferieren.

Dort wird er rund 4,5 Mio Euro investieren, da ihm der makedonische Staat mehr Geschäftsvergünstigungen bot, unter anderem auch eine Hektare Land und fünf Jahre Steuerbefreiung.

“Hier lassen sie mich nicht arbeiten” sagte Mustafa gegenüber einheimischen Medien in Kosova. Acht Jahre zuvor war er aus Deutschland gekommen, um in seinem Geburtsort Ferizaj zu investieren. Doch nun blockiert ihm der kosovarische Zoll schon seit beinahe einem Jahr den Import des Recyclingmaterials aus Deutschland.

“Ich wurde zur Bezahlung von 104’000 Euro bestraft, da ich angeblich mit Tarifpositionen getrickst hätte, um Zollgebühren zu vermeiden”, sagt Mustafa in der Zeitung “Fjala”. Doch laut ihm ist der Code, den der Zoll verlangt, im vorliegenden Fall nicht anzuwenden, da Kosova nicht der Basler Konvention angeschlossen ist.

“Sie erhielten bestimmt von jemandem Geld, um uns zu Grunde zu richten. Sie verdächtigen uns, Zollgebühren von 10% umgangen zu haben. Das Material wurde als Recyclingmaterial bewertet, und doch betrachten sie es als Ware, die bereit für den Markt ist”, bringt dieser kosovarische Geschäftsmann seine Sorgen zum Ausdruck.

Unternehmen in Kosova schliessen und wandern nach Bulgarien ab

Er ist jedoch nicht der einzige Emigrant, der von den kosovarischen Behörden enttäuscht ist. Dass die Steuerpolitik unbefriedigend ist, musste auch ein weiterer Geschäftsmann aus Ferizaj feststellen, der gezwungen war, sein Geschäft in Kosovo zu schliessen, um wieder ein ähnliches in Bulgarien zu eröffnen.

Dieser Unternehmer entliess rund 200 Angestellte, und noch heute ist er enttäuscht, dass er die Arbeiter entlassen musste – die anschliessend mehrheitlich illegal nach Deutschland, Österreich und Frankreich emigrierten. Der Eigentümer der Speiseölfabrik sagte, der Lohn der Mitarbeiter habe zwischen 300 bis 600 Euro betragen.

Er sagte, er sei gezwungen gewesen, die Fabrik zu schliessen, weil die Ware, die aus Serbien und anderen Ländern nach Kosova hineinkommt, von mehr Vergünstigungen profitiert als die Vorleistungsgüter, die zur Verarbeitung nach Kosova hineinkommen. “Ein Speiseölprodukt, das in Serbien produziert wird, kommt auf den kosovarischen Markt mit lediglich 16% MWSt, produzieren wir aber das gleiche Produkt in Kosovo, müssen wir 27,5% zahlen”, erklärt er.

Zum Thema Marktmonopol und Abwanderung von Firmen reagierte auch Kosovas Ministerpräsident Isa Mustafa. Er sagte, die Korruption und das Monopol einiger öffentlicher und privater Unternehmen müssten bekämpft und für alle Unternehmen der gleiche Handlungsspielraum geschaffen werden.

“Wir dürfen nicht zulassen, dass die kleinen Unternehmen ersticken. Wir werden ihnen Möglichkeiten eröffnen und der Konkurrenz die gleichen Bedingungen hinsichtlich Lizenzen, Zölle, Qualitätskontrolle, Preisregime, Beschaffungssystem stellen”, erklärte der kosovarische Ministerpräsident.

In 15 Jahren wurden 674 ausländische Firmen registriert

albinfo.ch kontaktierte die kosovarische Agentur für die Registrierung von Firmen. Deren Koordinator für juristische und praktische Angelegenheiten, Mehdi Pllashniku, sagt, in Kosova seien zwischen dem 1. Januar 2000 und dem 12. Januar 2015 insgesamt 674 ausländische Firmen angemeldet worden.

Laut dem Beamten dauert es drei Tage, um eine Firma anzumelden. Das heisst, die Anmeldeverfahren sind vereinfacht worden.

Andere Statistiken jedoch sagen, dass allein im letzten Jahr etwa 39 ausländische und 20 einheimische Firmen, die durchschnittlich mehr als zwei Angestellte hatten, schlossen. In den letzten fünf Jahren gingen durch Unternehmensschliessungen 13’000 Arbeitsplätze verloren.

Ursache sind die ungeeignete Steuerpolitik, informelle Abläufe, Korruption, hohe Zinssätze, das Monopol der grössten Unternehmen, hohe Stromkosten und Erschwernisse bei der Bewegungsfreiheit in den europäischen Ländern.

Professor Naim Gashi, Fachmann für wirtschaftliche Prozesse, sagte gegenüber albinfo.ch, Kosova müsse sein Investitionsklimas im Vergleich zu den Ländern der Region unbedingt verbessern. Ausländische Investitionen müssen laut ihm vor allem im Energiebereich, im Bergbau, in der Landwirtschaft, im Tourismus etc ermutigt werden.

“Um besser mit den Ländern der Region konkurrieren zu können, muss Kosovo die Korruption strenger bekämpfen und den Rechtsstaat festigen, denn wir können nicht erwarten, dass ernsthafte Investoren nach Kosovo kommen, solange diese wegen kleinster allfälliger Streitigkeiten jahrelange Gerichtsverfahren abwarten müssen”, erklärte er.

Gashi: Die Bürokratie muss bekämpft werden

Weitere Hindernisse für ausländische Investoren ortet Gashi bei der Bürokratie auf zentraler und lokaler Ebene.

“Die Bürokratie bei der Erteilung von allerlei Bewilligungen und Lizenzen erschwert geschäftliche Tätigkeit in Kosova, deshalb muss mehr getan werden, um diese Verfahren zu verkürzen und zu vereinfachen, denn die Bildung von öffentlichen und privaten Monopolen ist ein sehr entmutigendes Signal für ausländische Investoren”, urteilt Gashi.

Ebenfalls ein Problem für Investoren ist laut ihm die regelmässig respektive nicht regelmässig funktionierende Energieversorgung.

“Das Energienetz ist immer noch veraltet und die Firmen, die investieren kommen, müssen die Stromqualität mit eigenen Mitteln verbessern. Das ist die Aufgabe der Firma für die Stromverteilung, und sie muss den Anforderungen ihrer Aufgabe gewachsen sein”, meint er.

Auch Vertreter aus Unternehmenskreisen äusserten sich gegenüber lokalen Medien in Kosovo besorgt über die Schliessung von Firmen und deren Abwanderung ins Ausland.

Safet Gërxhaliu von der kosovarischen Handelskammer sagt, die Tatsachen seien besorgniserregend und ohne Stimulation der Produktion würden auch die noch existierenden Investoren verloren gehen.

Zeka: Die Investoren fühlen sich nicht sicher

Arian Zeka von der amerikanischen Handelskammer sagt gegenüber albinfo.ch, jene wenigen Investoren, die sich entschlossen hätten, in Kosova zu investieren, müssten ihrer Geschäftstätigkeit in grosser Unsicherheit nachgehen, die sie nebst der Unklarheit und Zweideutigkeit vieler gesetzlicher Bestimmungen zusätzlich belaste.

“Klar werden die Entscheide von Investoren, ihre Geschäftsaktivitäten anderswo durchzuführen, von günstiger Steuerpolitik und anderen monetären und nichtmonetären Stimuli beeinflusst, wie sie die schlussendlich geographisch vergleichsweise nahe liegenden Nachbarländer bieten”, erklärt Zeka.

Auf die Frage, wie geeignet das Klima in Kosova für Investitionen sei, sagt Zeka, trotz der Reduktion von bürokratischen Hindernissen sei die Atmosphäre für Geschäfts- und Unternehmenstätigkeiten nicht günstig; dies wegen mangelnder und unseriöser Bemühungen zur Festigung des Rechtsstaates und Bekämpfung der Korruption.

“Kein seriöser Investor beschliesst, sein Kapital in einem Land zu investieren, das eine starke Korruption aufweist. Und zu sagen ist auch, dass es Kosova, obwohl es über attraktive Steuersätze verfügt, an anderen Erleichterungen fehlt, die unser Land erst gleichermassen attraktiv wie alle Nachbarländer machen würden”, erklärte Zeka.

Der Präsident der kosovarischen Handelskammer sagt, die Investoren müssten spüren, dass ihnen eine sorgfältigere Behandlung entgegengebracht wird und die Beamten der Behörden sollten sie mit aufrichtiger Gastfreundschaft auf höchstem Niveau empfangen.

“Es braucht eine andere Steuerpolitik, damit mehr Wettbewerbsvorteile für die Unternehmen des privaten Sektors entstehen, vor allem für die kleinen und mittleren Unternehmen, Unternehmen, die von Frauen und jungen Leuten geführt werden. Das Wichtigste jedoch werden zusätzliche Bemühungen und konkrete Resultate bei der Festigung des Rechtsstaates, der Bekämpfung der Korruption und einer höheren Effizienz der Gerichte bleiben”, sagt Zeka.