Ausstellung
Die Kraft der Krise
Die Themen Kampf und Zerfall aber auch die Schärfung von Wahrnehmung und eine Neukonstruktion der Wirklichkeit spiegeln sich nicht nur in Shuk Oranis jüngsten Werken aus 2020 wider
Kunst und Krise sind zwei Begriffe, die in der Berichterstattung der letzten Monate häufig ein Tandem bilden. Besonders im Kontext sinkender Umsätze und mangelnder Möglichkeiten Kunst außerhalb des digitalen Raumes einem breiteren Publikum zu präsentieren. Dabei wird oft übersehen, dass Kunst und Krise seit jeher miteinander verwoben sind und gemeinsam ein explosives Potential bergen, wenn es darum geht Letztere zu verarbeiten, ungewöhnliche Perspektiven einzunehmen und neue Wege zu beschreiten.
“Predator”
Die bewegendsten Werke sind inspiriert von persönlichen oder politisch-gesellschaftlichen Sinn-(Krisen). Man denke an Frieda Kahlos Die zerbrochene Säule, die Ballade Tears in heaven von Eric Clapton, an Hermann Hesses Der Steppenwolf oder aber an Pablo Picassos Guernica.
Dementsprechend ist es wenig verwunderlich, wenn Künstler gerade jetzt ihre Instrumente in die Hand nehmen, in Zeiten rassistischer Anschläge, politischer Umwälzungen und nicht zuletzt von Covid-19 und mit ihrer Kunst reflektieren und Stellung beziehen.
Einer von ihnen ist der Hamburger Künstler Shuk Orani. Betrachtet man seine jüngsten Werke, wie auch den über die letzten Jahre gewachsenen Werkzyklus Transcendence so wird schnell klar, dass es für Orani nur eine Richtung gibt: die Tiefe.
In einer kaleidoskopischen Palette neoexpressionistischer Darstellungsformen, zwischen scharfen Farbkontrasten und entartet- figurativen Motiven die, wie eine klaffende Wunde aus der Leinwand herauszubrechen scheinen oder sich im Narrativ der Farben fast gänzlich auflösen, liegt das emotionale Spannungsfeld mit dem Orani spielt- samt seiner transformativen Kraft.
“Gravity”
Auf der einen Seite steht das auf den ersten Blick statisch anmutende Werk Gravity. Betrachtet man es eingehender so wird klar, dass es hier um das zähe Ringen zweier ebenbürtiger Kräfte geht. Die Polarität der Farben sowie ihre eindeutige Trennung sind Einflüsse aus Mark Rothkos Farbfeldmalerei. Rothkos Ziel war es, jenseits figurativer Ablenkung, Betrachter und Bild eine ganz persönliche Beziehung aufbauen zu lassen. Auf der anderen Seite des Spektrums seiner jüngsten Werke steht Oranis Battlefield. Fast collagenartig zusammengesetzt steht der verwundete Ritter und versucht der Zweidimensionalität der Leinwand zu entfliehen. Er ist Täter und Opfer zugleich. Die Sinnlosigkeit der Gewalt offensichtlich anklagend und außerhalb des Rahmens nach besseren Alternativen suchend. Das verzerrte, fast entarteten Motiv, die Konzentration auf die reine Kreativität, erinnert an Willem de Koonings Frauenwerke der 50er Jahre. Aber auch an dessen Ausbrechen aus gängigen Normvorstellungen.
“Battlefield”
Die Themen Kampf und Zerfall aber auch die Schärfung von Wahrnehmung und eine Neukonstruktion der Wirklichkeit spiegeln sich nicht nur in Shuk Oranis jüngsten Werken aus 2020 wider.
Mit seinem über die letzten Jahre gewachsenen Werkzyklus Transcendence fordert Orani den Einzelnen heraus und dazu auf nach innen zu kehren und seine ganz persönlichen Schichten zu ergründen. Sich zu hinterfragen und starre Muster abzulegen, sich zu transformieren um sich selbst in einer neuen Bewusstseinsebene unmittelbar und authentisch erleben zu können. Transcendence bedeutet eine Grenzüberschreitung nach innen und die Auseinandersetzung mit den weltlichen Begrenzungen menschlicher Erfahrungen, das Sprengen von Normketten und das Auflösen anachronistischer Machtstrukturen, die das Individuum in ein Vakuum der Beschränktheit ja fast Benommenheit drängen- abgespalten von sich selbst und emotional isoliert von seiner natürlichen Umgebung. Zum Teil sind Oranis farbintensiven Werke aus Transcendence durch figurative Überlappungen, die in und übereinendergreifen durchbrochen. Schicht für Schicht wird das Unbewusste freigelegt.
“Silentstorm”
Orani malt mit Öl auf Leinwand und ist für seine großformatigen Werke, die teilweise bis zu acht Meter breit sind, bekannt. Auch die enorme Leinwandgröße scheint sagen zu wollen, dass wir alle die Möglichkeit nutzen sollten aus verkrusteten Strukturen auszubrechen und dass Krisen auch Wachstumschancen in sich tragen.
Oranis Werke waren bereits in einer Reihe internationaler Museen und Galerien vertreten. Darunter das Musée du Louvre, die Welper Gallery und die Robert Gallery. Einige Werke aus seinen Zyklen Landschaften und World wurden international ausgestellt, unter anderem im Museum of Contemporary Art Bejing in 2016.
Einige Stücke aus Transcendence werden voraussichtlich im September 2021 im größten russischen Privatmuseum Erarta in Sankt Petersburg ausgestellt. Orani ist ebenfalls eingeladen an dem 2007 ins Leben gerufenen Projekt Hermitage 20/21 teilzunehmen. Ziel des Projekts ist es zeitgenössische Kunst zu sammeln, auszustellen und zu studieren sowie die Sammlung zeitgenössischer Kunst der Petersburger Eremitage zu erweitern. Darüber hinaus ist eine Ausstellung in Südkorea, voraussichtlich im Oktober 2021, im Haegeumgang Museum geplant.
“Transcendence”
Das Netzwerkprojekt Art Intégré ist ein weiteres Beispiel für Oranis unermüdlichen Einsatz für die Neu-Perzeption von Kunst(-objekten) im öffentlichen Raum und als integratives Element innerhalb der Architektur. Dabei soll die Zusammenarbeit zwischen Künstlern und Architekten protegiert werden, um (Bau-)Projekte mit Identität zu realisieren.
Oranis Wirken, auch über die Leinwand hinaus stimmt, trotz Krise, hoffnungsvoll.
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