Entwicklung
Die Emotion für die türkische „Brüderlichkeit“
Thaçi nannte seinen türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdoğan „Bruder“. Der amtierende albanische Ministerpräsident Edi Rama nannte Erdoğan „mein Freund“. Doch das Verhältnissen ist längst nicht mehr wie es einmal war, wie Beobachter feststellen.
Im Jahr 2013 trafen sich Edi Rama und Hashim Thaçi mit hohen Vertretern des türkischen Staates. Dabei gingen die Emotionen viel weitere als das Protokoll vorsah. Thaçi nannte Erdoğan „Bruder“, Edi Rama nannte ihn „mein Freund“.
Wie Beobachter feststellen, sind die Verhältnisse längst nicht mehr so herzlich wie sie einmal waren. „In der letzten Zeit ist eine Reserve zu beobachten. Vielleicht weil die Türkei nicht mehr die wirtschaftliche Stärke ausstrahlt, die sie auszeichnete und weil die Türkei mit enormen politischen Problemen zu kämpfen hat. Für deren Lösung ist Kosova für die Türkei sehr uninteressant“, sagt Wirtschaftsexperte Ibrahim Rexhepi.
Auch der Forscher der türkischen Präsenz auf dem Balkan, Liridon Lika, macht dieselbe Beobachtung. „Nicht nur seit dem Putschversuch, sondern seit mehreren Jahren haben wichtige Akteure auf dem Balkan und in der europäischen Union – wie Deutschland und Österreich – begriffen, welche Ziele die türkische Regierung auf dem Balkan verfolgt. Es ist kein Zufall, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel den „Prozess von Berlin“ ins Leben rief, mit dem alle Westbalkanstaaten politisch und wirtschaftlich unterstützt werden sollen, damit sie schnellere Erfolge auf dem Weg der EU-Integration erzielen“, so Lika. Damit wollen die Europäer den türkischen, russischen und ja auch den chinesischen und arabischen Einfluss auf dem Balkan unterbinden.
Das Signal ist klar: Der Balkan ist europäisch. „Die Konferenz von Berlin (2014), die Gipfel von Wien (2015) und Paris (2016) sind klare Signale dafür, dass die Europäer intensiv daran arbeiten, die Westbalkanländer an Brüssel anzunähern. Bei diesen Gesprächen war die Türkei nicht eingeladen, auch wenn das Land seit Jahren ein EU-Kandidat ist“. Nach den Wahlen in der Türkei war auch die kosovarische Führung isoliert, weil sie ein nicht funktionierenden Staat errichtet hat, mit einer nur deklarativen Demokratie; ein Staat in dem die Rechtsstaatlichkeit fehlt und in dem Korruption und die Mafia herrscht.
Kosovarische Führung ist türkischen Politikern untergeordnet
„Die Türkei hat eine recht starke Expansion in unserer Region, auch in Kosova, vorangetrieben. Umso schlimmer, dass unsere politische Führung gegenüber türkischen Politikern sich mit einem gewissen Minderwertigkeitskomplex verhält. Wie es scheint, vermissen sie die Anwesenheit der „Brüder“ aus der Türkei“, so Ibrahim Rexhepi.
Safet Gërxhaliu von der kosovarischen Wirtschaftskammer betont aber, dass es in der Wirtschaft keine Emotionen geben darf. „Wir können nicht davon leben, dass wir angeblich Brüder seien. Im Gegenteil muss die Wirtschaft die Menschen zusammenbringen“, so Gërxhaliu.
Türkische Politiker seien viel weiter gegangen als das, was man ‚politische Unterstützung‘ nennt. „Sie habe ein paternalistisches Verhalten gegenüber Kosova gezeigt“, sagt Ibrahim Rexhepi. Und das brauche Kosova nicht.
„Die Folge dieses Verhältnisses ist der Bau von Moscheen, die wir nicht gebraucht haben. Wir haben islamische Gotteshäuser mehr als jedes Land auf dem Balkan. Und wir haben in Kosova eine Organisation wie TIKA (Red. Türkische Regierungsorganisation), die sich arrogant verhält. Jedes Land würde eine solche Organisation des Landes verweisen, wenn sie versucht, die einheimische Kultur und Geschichte zu zerstören“, sagt der Publizist Gani Mehmeti. Nach der Renovation einer Schule in der Hauptstadt Prishtina hatte TIKA Uhren mit türkischer Flagge an die Wand gehängt – an der Stelle, wo früher die Bilder des albanischen Nationalhelden Skanderbeg hingen.
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