Integration
Der Paparat hilft Vätern, ihre Kinder besser zu kennen
Nexhat Ballazhi und Umberto Castra erklären füralbinfo.ch die Ziele des Projekts „Paparat“, das eingewanderte Väter in Bern unterstützt
Der Paparat – der Rat der Papas, der Väter. So nennt sich ein Projekt, das vor einigen Jahren in Bern initiiert wurde und das Väter darin sensibilisieren will, sich mehr in der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder zu engagieren. Als eine der grössten Einwanderungsbevölkerungsgruppen in Bern und der Schweiz werden selbstverständlich auch die Albaner in dieses Projekt miteinbezogen.
„Ausgehend davon, dass es traditionellerweise die Mütter sind, die den engeren Kontakt zu den Kindern haben, gibt es in der Schweiz viele Projekte, um den Müttern im Umgang mit den Kindern zu helfen. Doch das Projekt „Paparat“ ist von einer anderen Prämisse ausgegangen“, sagt Nexhat Ballazhi, einer der Berater des Projektes. “Es wurde festgestellt, dass vor allem in den Bevölkerungsgruppen ausländischer Herkunft die Rolle des Vaters mehr Bedeutung hat, deshalb versuchten die Projektträger, mit den Vätern zu üben, sich den Problemen ihrer Kinder zu stellen. Im Brennpunkt stehen die Probleme der Kinder im Pubertätsalter, beziehungsweise ab zwölf Jahren und älter“, sagt Ballazhi gegenüber albinfo.ch. „So wurde für jede Bevölkerungsgruppe je eine Person gewählt, mit welcher in einem Kurs geübt wurde, anschliessend mit den Eltern der entsprechenden Gruppe zu arbeiten. Ich bin für die albanische Gemeinschaft verantwortlich“, erklärt er.
Er sagt, dass die Teilnehmer im Training viel über den Umgang mit Kindern im kritischen Alter der Pubertät gelernt haben. „Wir meinen, wir wüssten wie es geht, doch in Wirklichkeit gibt es viele Arten und Methoden, die gelernt werden müssen, um im Umgang mit pubertierenden Kindern Erfolg zu haben. Die albanischen Eltern, insbesondere die Väter, sind meistens von der Arbeit besetzt und denken, es genüge, dass sie Geld nach Hause bringen, während sie die Erziehung der Kinder, die Pflege von engeren Kontakten mit ihnen, vernachlässigen. Genau das sind Aufgaben von uns, den Vätern, die wir deutlicher vermitteln müssen“, fährt unser Gesprächspartner fort.
Die Väter den Kindern gegenüber offener machen!
Die wichtigsten Probleme, denen es sich zu stellen gilt, sind jene der Aggressivität, die sich bei den Heranwachsenden als Folge vieler Faktoren zeigt, dann auch die Probleme mit Drogen-, Alkohol- und Tabaksucht etc. Wir raten den Eltern, den Kindern massvoll zu begegnen, vor allem jenen im erwähnten Alter, wegen ihrer Verletzlichkeit. Wir führen pro Jahr jeweils zwei Treffen mit je acht Vätern an einem gemeinsam bestimmten Ort, sei es in einem Lokal oder zuhause bei einem der Teilnehmer, durch. Ich kann sagen, dass es uns in Anbetracht der Verschlossenheit, die albanische Väter in der Regel charakterisiert, ziemlich gut gelungen ist, sie zu öffnen und ihrer Rolle, die sie in Bezug auf die Kinder haben, bewusst werden zu lassen“, sagt Ballazhi unter anderem.
Der Projektverantwortliche Castra, Pädagoge und Psychologe, stellt für albinfo.ch das Projekt aus seiner, professi
onellen Perspektive dar.
« Das Fehlen von Projekten für Väter war der Grund, weshalb wir vor rund drei Jahren den Paparat gründeten, mit der Idee, dass der Vater für das Kind eine zentrale Rolle spielt und er nebst der Mutter in der Erziehung, aber auch in der Prävention negativer Erscheinungen, die seine Kinder gefährden, aktiv sein muss. So übten wir anfänglich mit einer Gruppe von zwölf Vätern, die als Moderatoren tätig sind. Wir trainierten mit ihnen verschiedene Themen betreffend Kindererziehung. Nach dem Training liessen wir die betreffenden Väter in ihrem sozialen Umfeld respektive auch in ihrer jeweiligen Einwanderungsbevölkerungsgruppe ‘in Aktion treten’. Hatten sie eine Gruppe mit einer Anzahl interessierter Väter gebildet, versammelten sie sich an einem selbstgewählten Ort, in irgendeinem Klub oder was auch immer. Dort kommuniziert der zum Moderator bestimmte den anderen das Wissen, das er im Kurs gewonnen hat und tritt mit ihnen in eine Diskussion, in der Erfahrungen ausgetauscht werden respektive wo über die weiter oben erwähnten Probleme gesprochen wird.
Ein Pionierprojekt
Aus der bisherigen Erfahrung kann ich sagen, dass dieser Ansatz auf beträchtliches Interesse stiess bei den Eltern, an die sich das Projekt richtet. Ebenso ist zu sagen, dass es dabei in der Schweiz um ein Pionierprojekt in diesem Bereich geht, während in andern europäischen Ländern auch Ähnliches in den Anfängen steht. Doch trotz allem ist es nicht so, dass wir ein Rezept gefunden hätten, das in allen Fällen anwendbar wäre. Dies unter anderem auch deshalb, weil wir parallel mit zwölf verschiedenen Gruppen von Eingewanderten arbeiten und diese sich natürlich voneinander unterscheiden. Es besteht ein Unterschied im Umgang mit ihren Kindern etwa von Eltern aus Portugal, im Vergleich zu jenen aus Kosova oder Italien etc.
Bis jetzt sichern wir die Weiterführung des Projekts jeweils für ein Jahr. Jedes Jahr trainieren wir andere Väter, die die Arbeit weiterführen. Wir versuchen, in periodischen Abständen ihre Arbeit mit den Eltern zu evaluieren. In dieser Richtung arbeiten wir zur Zeit mit der Universität Bern zusammen. Wir hoffen, dass mit der Zeit die Arbeit, die der Paparat macht, in ein normales ständiges Angebot umgewandelt wird, wie es deren ähnliche viele gibt in der heutigen Gesellschaft. Die von uns gewählte Methode erleichtert uns den Zugang zu den Vätern über Menschen aus der entsprechenden eingewandertenBevölkerungsgruppe. Andernfalls würde uns dieser Zugang fehlen“, sagt Castra.
Die Väter von heute sind anders als jene von gestern
Generell sind wir Zeugen einer grossen Veränderung der Rolle der Väter von Generation zu Generation. „Was für einen Vater meiner Generation charakteristisch war, ist es heute nicht für mich, als Vater meiner Kinder. In der heutigen Zeit hat der Vater mehr Feingefühl und mehr Pflichten gegenüber den Kindern. Die Rolle des Vaters heute ist nicht mehr nur jene einer Person, die Geld nach Hause bringt. Besonders die Väter aus ausländischen Bevölkerungskreisen arbeiten leider über die Massen viel, so dass ihnen keine Zeit und Energie mehr bleiben, um sich mit ihren Kindern zu befassen. Ich verstehe, dass sie arbeiten bis zum Gehtnichtmehr und sich für ihre Kinder opfern, doch leider ist es der Kontakt mit den Kindern, der darunter leidet. Sie müssen den Dialog mit den Kindern suchen. Und das Problem, dass dieser Dialog fehlt, findet sich nicht nur bei Eingewanderten, es ist auch bei den Einheimischen, den Schweizern vorhanden“, bemerkt Castra.
„Die Probleme, die die Eltern im Zusammenhang mit Verhaltensweisen ihrer Kinder haben, etwa wenn diese in der Pubertät sind, gleichen sich: Die Kinder bleiben stundenlang vor dem Computer, wo sie im Internet spielen oder ähnliches machenund dabei die Hausaufgaben vernachlässigen. Auch Drogen-, Alkohol- und Tabakabhängigkeit oder Glücksspielsucht gehören ebenfalls in diesen Rahmen. Doch was die Situation der Eltern mit Herkunft aus andern Ländern erschwert und sie problematischer macht, ist, dass jene sprachliche und kulturelle Schwierigkeiten haben. Und da ist unser Projekt wichtig.“
Bestimmte Probleme lassen sich nicht in einer Fremdsprache besprechen
Während Schweizer Eltern leicht Zugang zu Ärzten, Pädagoginnen, Psychologen etc. finden, ist dies für ausländische Eltern sehr schwierig. Dies lässt sich auch so erklären: Über bestimmte Probleme lässt sich nur in der Muttersprache reden. Dieses Gefühl hab sogar ich, aufgewachsen in einer italienischen Familie in der Schweiz“, sagt Castra zum Schluss. Er ruft deshalb Eltern ausländischer Herkunft und im Besonderen albanische dazu auf, das Angebot des von ihm geleiteten Projekts zu nutzen.
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