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Der Bundesrat will die Herausforderungen der Zuwanderung adressieren

Im Rahmen der Erarbeitung der «Gesamtstrategie Asyl» werden weitere Massnahmen zur Reduktion der Asylgesuche und zur Beschleunigung der Asylverfahren erarbeitet

Der Bundesrat lehnt die Volksinitiative «Keine 10-Millionen-Schweiz (Nachhaltigkeitsinitiative)» ab. Sie gefährdet den Wohlstand, die Wirtschaftsentwicklung und die Sicherheit in der Schweiz. Der Bundesrat anerkennt jedoch, dass die Zuwanderung in die Schweiz und das Bevölkerungswachstum mit Herausforderungen verbunden sind. An seiner Sitzung vom 29. Januar 2025 hat der Bundesrat deshalb Begleitmassnahmen bei der Zuwanderung in den Arbeitsmarkt, im Wohnungswesen sowie im Asylbereich beschlossen.

Am 26. Juni 2024 hatte der Bundesrat entschieden, die Nachhaltigkeitsinitiative ohne Gegenvorschlag abzulehnen. Nach seiner Ansicht hätte die Annahme der Initiative negative Auswirkungen auf die Wirtschaft, den Wohlstand, die Sicherheit und das Funktionieren der Gesellschaft. Bereits heute gibt es verschiedene Strategien und Massnahmen, um die Zuwanderung in die Schweiz zu steuern und den mit der Zuwanderung verbundenen Herausforderungen zu begegnen. Diese zielen unter anderem auf die konsequente Ausschöpfung des inländischen Arbeitskräftepotenzials, den Schutz der Lohn- und Arbeitsbedingungen, die Raumplanung, das Wohnungswesen oder die Verkehrsinfrastruktur ab. Der Bundesrat sieht aber zusätzlichen Handlungsbedarf.

Verstärkte Ausschöpfung des inländischen Arbeitskräftepotenzials

Wichtigster Treiber der Zuwanderung ist der Arbeitsmarkt. Aufgrund des demographischen Wandels und des zunehmenden Arbeitskräftemangels sind auch in Zukunft zusätzliche Arbeitskräfte nötig, um den Wohlstand und eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung längerfristig sicherstellen zu können. Damit die Schweizer Unternehmen ihre Arbeitskräfte wenn immer möglich im Inland rekrutieren können, will der Bundesrat die Ausschöpfung des inländischen Arbeitskräftepotenzials weiter vorantreiben. Dafür hat er gemeinsam mit den Sozialpartnern Massnahmen erarbeitet. Diese sollen unter anderem Personen, die im Rahmen des Familiennachzuges zugewandert sind, stärker und rascher in den Arbeitsmarkt integriert werden. Das betrifft vor allem Frauen. Zudem sollen ältere Stellensuchende beim Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt gezielter unterstützt werden.

Das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) wird eine Studie aus dem Jahr 2017 aktualisieren, um den Effekt der Standortförderung des Bundes auf die Zuwanderung zu messen. Gestützt darauf werden Massnahmen geprüft, welche einen Beitrag zur Reduktion der Zuwanderung leisten können.

Bewährtes Instrument der Wohnraumförderung weiterführen

Um dem zunehmend knappen Wohnungsangebot zu begegnen, wird der Fonds zur Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus ab 2030 um fünf Jahre verlängert und um 150 Millionen Franken aufgestockt. Dieser Fonds wurde bereits 2020 mit zusätzlichen 250 Millionen Franken ausgestattet. Mit verschiedenen Anpassungen der «Lex Koller» will der Bundesrat zudem die Bedingungen verschärfen, unter welchen Personen im Ausland Immobilien in der Schweiz kaufen und behalten können.

Massnahmen zur Reduktion von Asylgesuchen

Im Rahmen der Erarbeitung der «Gesamtstrategie Asyl» werden weitere Massnahmen zur Reduktion der Asylgesuche und zur Beschleunigung der Asylverfahren erarbeitet. So sollen etwa Asylgesuche rascher abgeschrieben werden können, wenn Asylsuchende untertauchen oder ihre Mitwirkung verweigern. Zudem soll bei vorläufigen Aufnahmen regelmässiger und intensiver überprüft werden, ob diese aufgehoben werden können.

Parallel dazu ist das Staatsekretariat für Migration (SEM) bereits daran, eine Reihe von neuen Massnahmen zu erarbeiten und umzusetzen, damit Personen, welche Straftaten in der Schweiz begangen haben, das Asyl- und Ausländerrecht nicht ausnutzen können.

Nach Ansicht des Bundesrates stellen diese Begleitmassnahmen ein ausgewogenes Paket dar, indem es die Bereiche Zuwanderung in den Arbeitsmarkt, das Wohnungswesen und den Asylbereich abdeckt. Der Bundesrat trägt damit den Herausforderungen der Zuwanderung und des Bevölkerungswachstums und den Bedenken der Bevölkerung Rechnung. Sämtliche Massnahmen sind konform mit den geltenden völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz, namentlich auch mit dem Freizügigkeitsabkommen mit der EU und ihren Mitgliedstaaten (FZA).

Risiken für die Schweiz

Die Nachhaltigkeitsinitiative zielt darauf ab, die ständige Wohnbevölkerung der Schweiz bis zum Jahr 2050 auf unter 10 Millionen Personen zu begrenzen. Schon bei einer Bevölkerung von mehr als 9,5 Millionen Menschen vor 2050 müssten der Bundesrat und die Bundesversammlung gemäss Initiative Massnahmen insbesondere im Asylbereich und beim Familiennachzug ergreifen.

Bei Überschreiten der Grenze von 10 Millionen verlangt die Initiative zudem die Kündigung von internationalen Übereinkommen. So müsste das FZA nach einer zweijährigen Überschreitung des Grenzwerts gekündigt werden, wenn keine wirksamen Ausnahme- oder Schutzklauseln ausgehandelt oder angewendet werden können.

Eine Kündigung des FZA würde den bewährten bilateralen Weg mit der EU gefährden. Eine einseitige Kündigung des FZA würde aufgrund der Guillotine-Klausel zudem zum Wegfall sämtlicher Abkommen der Bilateralen I mit der EU führen. Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen wären erheblich. Darüber hinaus bestünde die Gefahr, dass auch die Schengen-/Dublin-Assoziierungsabkommen beendet würden, was zu mehr irregulärer Migration in die Schweiz sowie zu höheren Asylzahlen führen könnte. Ohne Schengen/Dublin wäre auch die Bekämpfung der Kriminalität massgeblich erschwert und die Sicherheit der Schweiz würde geschwächt.

Die Nachhaltigkeitsinitiative ist zudem in engem Zusammenhang mit dem Abkommenspaket zur Stabilisierung und Weiterentwicklung des bilateralen Wegs Schweiz-EU zu sehen. Dieses Paket enthält im Bereich der Personenfreizügigkeit Schutzmechanismen für das Schweizer Sozialsystem und eine Schutzklausel. Der Bundesrat nahm am 20. Dezember 2024 Kenntnis vom erfolgreichen materiellen Abschluss der Verhandlungen und leitete die nächsten Schritte ein. Eine Annahme der Nachhaltigkeitsinitiative würde auch dieses Ziel gefährden.