Entwicklung
Chance für die kosovarische Wirtschaft
Agrotourismus / Lokale Initiativen, die von der internationalen Gemeinschaft gefördert werden, eröffnen in der Republik Kosova neue Perspektiven
NOVO BRDO Vor 20 Jahren endete mit dem Kosovokrieg der gewaltsame Zerfallsprozess von Jugoslawien und der Weg wurde freigemacht für die Entstehung des jüngsten Staates Europas. Heute ist die Republik Kosovo elf Jahre alt und hat neben den direkten Folgen des Konfliktes auch die Defizite aus Kommunismus und Internationaler Verwaltung zu verarbeiten. Berücksichtigt man diese Faktoren, so herrscht im jungen Staat trotz allem eine spürbare Aufbruchstimmung und es hat sich seit dem Kriegsende sehr viel zum Positiven verändert.
An Bedeutung verloren
Verändert hat sich im traditionellen Agrarland Kosovo auch die Landwirtschaft selber, die vor dem Krieg noch die grösste Beschäftigung bot und mittlerweile an Bedeutung verloren hat. Aber nach wie vor ist die landwirtschaftliche Subsistenzwirtschaft der grösste Arbeitgeber und die guten Böden machen Kosovo immer noch zu einem prädestinierten Agrarland für Ackerbau und Weinbau. Probleme liegen aber im verlorenen sozialen Prestige und den günstigen Importen von Nahrungsmitteln. Probleme, mit denen die Landwirtschaft überall zu kämpfen hat. Die Lösungsansätze sind daher auch l.nderübergreifend ähnlich und mehr oder weniger erfolgversprechend. Doch im schwach industrialisierten Kosovo führt mittelfristig kein Weg zum Wohlstand an der Landwirtschaft vorbei, was eine grosse Chance für diesen Sektor darstellt.
Die hohe Arbeitslosigkeit im Kosovo und der Drang der Jugend, das Land zu verlassen, machen die Landwirtschaftspolitik zu einem wichtigen Instrument der Wirtschaftsförderung und Arbeitsbeschaffung. Gute Ansätze sind vorhanden und gerade die internationale Gemeinschaft hat einige interessante Projekte initiiert und lokale Initiativen gefördert, doch dies ist nur ein erster Schritt, auf den nun weitere folgen müssen.
Lokale Initiative
Ein gutes Beispiel von internationaler Starthilfe im Verbund mit unternehmerischer lokaler Initiative ist der Agrotourismus Park Lura in der Ostkosovarischen Gemeinde Novo Brdo. Der Gastronom Genc Buca kaufte nach dem Krieg eine landwirtschaftliche Parzelle im malerischen Makresh Tal und hatte bereits damals die Vision, später Gastronomie mit Agrotourismus und Direktvermarktung zu verbinden.Ein EU-Projekt zur Förderung von regionaler landwirtschaftlicher Produktion auf dem Balkan, verhalf dem Projekt dann zum Durchbruch.
Am 31. Mai 2019 konnte der Agrotourismus Park Lura eröffnet werden und die jahrelangen Bemühungen von Genc Buca feierten ihren ersten Erfolg. Der Agrotourismuspark Lura baut auf dem bewährten Konzept von «Ferien auf dem Bauernhof» auf und lädt Familien oder Pärchen zu einem reizvollen Urlaub in einer bezaubernden Landschaft ein. Beherbergt in sehr heimeligen Häuschen, werden die Gäste mit lokalen Speisen aus lokaler Produktion im Restaurant verwöhnt oder sie können im Laden lokale Produkte einkaufen.Ein attraktiver Spielplatz für Kinder und Fitnessgeräte für die Erwachsenen stehen ebenso zur Verfügung wie auch ein grosser Obstgarten zum selber pflücken.
Die landschaftliche und geschichtlich spannende Region Novo Brdo bietet den Besuchern eine Vielzahl von Ausflugsmöglichkeiten und Erholung. Das Besondere am Projekt Agrotourismus Lura ist zudem die Völker verbindende Komponente. Unter den Produzenten hat es sowohl albanische wie auch serbische Bauernfamilien. An derEröffnungsfeier sprach dann auch der Bürgermeister der Gemeinde Novo Brdo, Svetislav Ivanovic, der ethnischer Serbe ist,wie auch sein Kollege Lutfi Haziri aus der Nachbargemeinde Gjilan, welcher ethnischer Albaner ist.
Ein Beispiel für Toleranz
Was in dieser Region an Toleranz und Zusammenarbeit schon lange gelebt wird, ist andernorts auf dem Balkan bis heute so nicht möglich. Nun wäre es auch an der Zeit, dass vermehrt Besucherinnen und Besucher aus der Schweiz eine Reise in diese Region unternehmen und einen persönlichen Eindruck jenseits der negativen Botschaften seit den 90er-Jahren gewinnen können. Lokale Produktion und Agrotourismus könnten eine grosse Chance für die Region Novo Brdo darstellen. Nicht zuletzt könnten aber alle von einem generellen Imagegewinn der Landwirtschaft profitieren. Daniel Wäfler
Detaillierte Infos zum Tourismusprojekt:
Traditionell ein Landwirtschaftsland
Die Republik Kosovo spaltete sich im Kosovokrieg 1998/99 von Serbien ab und erklärte am 18. Februar 2008 ihre Unabhängigkeit. Die Schweiz anerkannte Kosovo bereits am 27. Februar 2008 als unabhängigen Staat an. Kosovo umfasst
10 880 Quadratkilometer Fläche (entspricht etwa der Ostschweiz) und hat etwa 1,8 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner .90 Prozent sind Albaner. Serben sind die zweitgrösste Volksgruppe, daneben gibt es noch Bosniaken, Roma und Türken. Die Albaner sind zu 95 Prozent muslimisch und zu 5 Prozent katholisch, während die Serben orthodox sind. Die anderen Minderheiten sind muslimisch. Mit seiner Schwarzerde ist das Land über weite Strecken bestens für Ackerbau geeignet und traditionell ein Landwirtschaftsland. Mit der Autobahnverbindung an die albanische Adriaküste und der guten Anbindung des Flughafens Pristina an Europa, ist der Tourismus ein wichtiger Zukunftsfaktor. Für die Schweiz hat Kosovo eine besondere Bedeutung, da mittlerweile etwa 280 000 Menschen mit kosovarischen Wurzeln hier leben. Daniel Wäflers
Zur Person
Daniel Wäfler bewirtschaftet in Gossau mit seiner Familie einen Mutterkuh- und Ackerbaubetrieb und arbeitet als Bauführer bei Grün Stadt Zürich. Der SVP-Kantonsrat wirkte im Jahr 2000 im Rahmen der Swisscoy/KFOR im Kosovo.
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