Entwicklung
Balkan noch weit entfernt von einer umweltfreundlichen Energiepolitik
Die von albinfo.ch organisierte Konferenz über erneuerbare Energien im Balkan brachte eine beeindruckende Zahl von Fachleuten und Vertretern von Entscheidungsträgern dieses Bereichs zusammen, und beleuchtete die Herausforderungen, vor welchen die Gesellschaften im Balkan stehen, wenn es um Energie und Umweltschutz geht.
Ist es, gemessen an dringenderen Bedürfnissen der dortigen Gesellschaften, ein Luxus für den Balkan, sich mit der Entwicklung von Konzepten für erneuerbare Energien zu befassen, oder ist genau das Gegenteil der Fall, hält man sich die zerstörerischen Ausmasse vor Augen, die der Verschleiss der natürlichen Ressourcen im Balkan angenommen hat? Solche Fragen versuchte die Konferenz zu beantworten.
Das Thema erneuerbare Energien im Balkan wurde im Verlauf der Konferenzbeiträge von praktisch allen Seiten her angegangen. Die in diesem Bereich herrschende zumeist ernstzunehmende Lage, die vorhandenen und zu entwickelnden Ressourcen, entsprechende Unterstützung von Seiten der Schweiz und die Haltung der Bankinstitute in Fragen der Finanzierung einer solchen Entwicklung wurden mit Daten aus erster Hand präsentiert.
Die Beiträge wurden im Rahmen von drei Sachverständigengruppen, die sich je einem Thema widmeten, und einem abschliessenden Podiumsgespräch entwickelt.
Im ersten Panel wurde das Thema “Erneuerbare Energie und Energieeffizienz im Balkan” behandelt, im zweiten “Das Knowhow der Schweiz für die Entwicklung im Balkan”, und im dritten Panel ging es um ” Das Engagement der Diaspora für eine nachhaltige Entwicklung”. Alle diese Themen wurden anschliessend auch am Podiumsgespräch – wo insbesondere Persönlichkeiten aus Kreisen der Entscheidungsträger teilnahmen – wieder aufgegriffen.
In seinem Beitrag im Rahmen des ersten Panels stellte Dominic Hereth vom Green for Growth Fund die Ziele seiner Organisation vor: Die Senkung des Energieverbrauchs um bis zu 20% und die Senkung des CO2-Ausstosses.
Er erwähnte, dass der Green for Growth Fund in Albanien, Makedonien, Serbien, Bosnien und in Ländern Osteuropas aktiv sei, in Kosovo jedoch bis jetzt noch nicht.
Die Stiftung unterstützt Projekte zur Aufbereitung von Solarenergie, kleine Wasserkraftwerke, die Verwendung von Biogas, kleine Landwirtschaftsbetriebe mit Windenergie, geothermische Energie etc. Hereth erklärte anschliessend in einer detailreichen Präsentation, welche Arten der Finanzierung solcher Projekte die Stiftung kennt, die Bedingungen, die es zu erfüllen gilt etc. Er betonte, Projekte mittlerer Grösse und Kostenumfangs würden bevorzugt.
Was kostet die (Nicht-)Isolation unserer Häuser in Kosova?
Mathias Regli von AF Consult, Vizedirektor für Wasserenergie, befasste sich im zweiten Panel mit Projekten, die in verschiedenen Ländern des Balkans zur Stimulierung von Energiegewinnung aus Wasserkraftwerken entwickelt wurden. Der grösste Teil des präsentierten Engagements bezog sich auf Wasserkraftwerke in Albanien. Regli analysierte die Situation in diesem Bereich und betonte die Notwendigkeit von Investitionen in den Unterhalt und die weitere Entwicklung der Hydroenergie als eine Form erneuerbarer Energie im Balkan.
Ein interessantes Thema präsentierten die Schweizer Architekten Guillaume de Morsier und Valentin Kunik. Der Beitrag über “Energieeffiziente Gebäude im Balkan” behandelte das Bauen in Kosovo und das Fehlen von Energiesparkonzepten mittels Isolation und Nutzung von effizienteren Heizformen in den Wohnhäusern.
“33% der Energie in Kosova wird von den Privathaushalten verbraucht, das Heizen in den Dörfern erfolgt zu 100% mit Holz, wobei ein Haushalt zehn Kubikmeter Holz verbraucht”, stellen die beiden Autoren in ihrer mit Unterstützung des SECOs erstellten Studie fest. Sie verglichen Gebäude in Kosova und solche in der Schweiz hinsichtlich Energiequellen, Energienutzungseffizienz etc. Angesichts der grossen Unterschiede schlagen sie eine mittlere Lösung für Kosova und den Balkan vor: Isolation der Häuser, Einsatz von Solarenergiepanels zur Warmwasseraufbereitung im Haus etc.
Müller: Wir möchten sparen, doch tatsächlich verbrauchen wir dadurch langfristig mehr
Zum Abschluss der Konferenz fand ein Podiumsgespräch statt, das vom Publizisten Roland Meier geleitet wurde und an dem Mustafa Hasani, Vizeminister für Wirtschaftliche Entwicklung in der Regierung Kosovos, Jan Brown von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung für Südosteuropa, Geri Müller, grüner Nationalrat, Guy Bonvin, Leiter der Abteilung Infrastruktur vom SECO, und Aziz Pollozhani, Professor an der Universität Tetovas und ehemaliger Botschafter Makedoniens beim UNO-Sitz in Genf, teilnahmen.
Der grüne Parlamentarier Geri Müller engagierte sich in seinem Votum dafür, wie notwendig im Balkan die Bildung des Bewusstseins für den Erhalt der Umwelt als ein an die nächsten Generationen zu übergebenden Reichtum sei. “Ich bin in Kosova gewesen und ich kenne den Zustand der Umwelt dort. Es gibt viel zu tun, aber wenn heute nichts unternommen wird, werden die Probleme den kommenden Generationen überlassen. So stellt die uneingeschränkte Nutzung der Energie, wie sie dort betrieben wird, ein Umweltrisiko dar. In Kosova gibt es viel Kohle. Sie können diese Kohle heute ausbeuten, doch morgen wird uns das Umwelt- und Gesundheitsprobleme bereiten. Und zudem, was tun wir, wenn die Kohlevorkommen zu Ende gehen?”, fragte Müller, und unterstrich die Notwendigkeit der Nutzung erneuerbarer Energien. Heute wird in Kosova und im Balkan in der Absicht, Geld zu sparen, mehr Energie verbraucht, sagte er. Er erwähnte in diesem Zusammenhang die fehlende Isolation der Häuser, die damit begründet werde, dass eine solche hohe Kosten verursachen würde. Tatsächlich würden die Kosten auf diese Weise langfristig jedoch viel höher.
Bonvin: Kosovo muss Energiefragen mit seinen Nachbarn besprechen. Das ist ein Gebot der Geografie.
Guy Bonvin vom SECO setzt sich für eine Steigerung der Energieeffizienz im Balkan und in Kosovo ein, wobei er festhält, dass die Energie in jenen Ländern viel mehr kostet als in der Schweiz. Seiner Meinung nach müssen die Kosovaren zur Lösung der Energieprobleme mehr auf die Zusammenarbeit mit den Nachbarn setzen, jedoch auch auf die Erfahrung und die Finanzmittel der Diaspora. „Kosovo ist ein kleines Land, und für die Herausforderungen im Energiebereich muss es mit seinen Nachbarn sprechen. Das gebietet die Geografie“, sagte Bonvin.
Der kosovarische Vizeminister für wirtschaftliche Entwicklung, Ramadan Hasani, sagte in seinem Beitrag zum Podiumsgespräch, dass die Förderung der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energiequellen in Kosova auf der Energiestrategie 2009-2018 gründe, und dass die kosovarischen Behörden den nötigen gesetzlichen Rahmen für diese Bereiche entwickelt hätten.
Der Gast aus Kosovo sagte, sein Land verfüge über nutzbare erneuerbare Quellen zur Bereitstellung von elektrischer Energie: Lumbardhë, Radavc, Dikancë, Burim und das Wasserkraftwerk von Ujman.
Vorgesehen ist gemäss Vizeminister Hasani, dass bis 2020 die aus diesen Wasserkraftwerken gewonnene Kapazität an elektrischer Energie 240 MW betragen soll.
„Geplant sind Installationen zum Bezug von 150 MW Windenergie, 10 MW photovoltaischer Energie und 14 MW Energie aus Biomasse. Bis 2020 ist vorgesehen, folgende Kapazitäten für Heizenergie zu installieren: 10 MW geothermische Energie, 70 MW Sonnenenergie, und Energie aus Holzbiomasse aus Brennholz von 264,5 ktoe“, sagte Vizeminister Hasani am Podiumsgespräch der Berner Konferenz über erneuerbare Energien im Balkan.
Jan Brown von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung für Südosteuropa, dessen Büro sich in Belgrad befindet, beschrieb die Schwierigkeiten, die sich bei der Finanzierung der Projekte für erneuerbare Energie im Balkan stellen. Schliesslich würden die Banken als Finanzinstitute, die sie sind, nur solche Projekte finanzieren, die das Potential dazu hätten, Mittel wieder einzubringen, sagte Brown unter anderem.
Der Teilnehmer aus Makedonien, Aziz Pollozhani, brachte die Rede auf die Überbetonung des politischen Aspekts, wie sie seiner Meinung nach im Zusammenhang mit dem Balkan stets zu beobachten sei. „Das Politische ist nicht nur im Balkan, sondern auch anderswo gegenwärtig. Denken wir etwa an die Abhängigkeit Westeuropas oder Deutschlands vom russischen Gas etc.“, bemerkte Pollozhani. Er zog Parallelen zwischen den Energiepreisen in Kosova und denjenigen in der Schweiz – Preise, die bezogen auf die respektive Kaufkraft der beiden Länder, in Kosova um ein Mehrfaches teurer ausfallen.
Schneeberger: Windturbinen in Kosovo wandeln noch keine Energie um
Stefan Schneeberger von der Nek Umwelttechnik stellte ein Projekt für Windenergie in Kosovo vor. Er sprach über die Potentiale in diesem Bereich und über die entsprechenden Nutzungsmöglichkeiten. Die Windkraft ist an bestimmten Orten Kosovos optimal für den Bau von Windturbinenparks. „Wir machten eine Studie für einen Windturbinenpark in Zatriq bei Rahovec, wo die Bedingungen zur Aufbereitung von Energie sehr gut sind. Würden wir heute mit der Ausführung des Projektes beginnen, wäre es in zwei Jahren bereit“, sagt Schneeberger gegenüber albinfo.ch. Doch wie so oft hinkt die Sache auch in diesem Fall bei der Projektfinanzierung. „Es gibt eine Initiative einer Gruppe lokaler Unternehmen zur Finanzierung eines Teils des Projekts, und den Rest müsste irgendeine Finanzinstitution übernehmen, doch bis jetzt gibt es dazu noch nichts Konkretes“, erklärt Schneeberger. Im Übrigen sagt er, dass in Kosovo trotz der da und dort anzutreffenden Initiativen noch keine Windenergie aufbereitet werde. „Einzelne Windturbinen, die vom Flughafen Prishtinas aus zu sehen sind (in Golesh), funktionieren nicht und offensichtlich waren sie bis jetzt nie in Betrieb gesetzt worden“, ergänzt er.
Rexhep Gashi: Diaspora wird nicht konsultiert
Das Potential der albanischen Energiefachleute, die in der Schweiz ausgebildet wurden, wird von den Institutionen in Kosova nicht genutzt. Dieser Ansicht ist Rexhep Gashi, Präsident der Albanian Engineering of Switzerland (AES).
„Wir haben das Glück, dass sich unter uns albanische Ingenieure aus Kosovo und der Region finden, die in der Schweiz spezifisch im Bereich erneuerbare Energien ausgebildet wurden. Fachleute, die aus dem Balkan kommen und in der Schweiz ausgebildet wurden, befassen sich mit verschiedenen Projekten, etwa dem Umgang mit Abfall, Transport ohne Umweltverschmutzung, geothermischer Energie etc.“ sagte Gashi.
„Wir sind offen, mit vielen Firmen und verschiedenen Geldgebern wie dem SECO und anderen zusammenzuarbeiten. Wir gehen nicht an die Türen von Privatfirmen klopfen, damit sie unsere Projekte übernehmen. Wir stehen im Dienst der Bevölkerung des Balkans und Kosovas“, sagte Rexhep Gashi.
Er erwähnte ein Projekt, das die Albanian Engineering of Switzerland in Suhareka begonnen hatte, das jedoch am Ende völlig scheiterte.
„Das Studium aller Projekte zur Umwandlung von Energie in Kosovo kann von regionalen Fachleuten geleistet werden. Diejenigen, die die Projekte initiieren, müssen von Kosovo kommen und die Unterstützung der Ingenieure in der Schweiz finden. Die Projekte werden in der Regel von den Gemeinden initiiert, wobei die Regierung die Ingenieure um Hilfe bittet“, betont Gashi.
„Kosova hat Potential. Projekte gibt es so viel du willst, auch unzählige Stiftungen, doch es fehlt die Koordination. Hast du ein Projekt, weisst du nicht, wohin dich wenden in Kosova. Die Regierung von Kosova hat kein Netz von Fachleuten aufgebaut, wie es für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes notwendig wäre“, sagte der Ingenieur Gashi unter anderem. „Die Europäische Union finanziert Projekte für erneuerbare Energie mit Millionen, doch die Realisierung steht völlig aus. Es braucht eine gute Koordination zwischen Fachleuten und Regierung, doch funktioniert diese in Kosova leider nicht.“
Die Konferenz über erneuerbare Energien fällt mit dem dreijährigen Bestehen von albinfo.ch zusammen
Der Leiter der Onlineplattform albinfo.ch, Bashkim Iseni, gab den Anwesenden bekannt, dass die Energiekonferenz anlässlich des dreijährigen Bestehens der Nachrichtenplattform stattfindet. Er dankte den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei dieser Gelegenheit für ihr Vertrauen in albinfo.ch, und gab seinem Dank gegenüber den Institutionen, die das Medium unterstützten und weiterhin unterstützen, Ausdruck.
(B.SH & S.T.)
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