Albanien

„Mit einem Panzer gegen das Patriarchat“ – die Frau hinter dem ersten albanischen Militärfahrzeug

Arjeta Puca ist die Frau, die im vergangenen Jahr nicht nur in albanischen Medien für Schlagzeilen sorgte. Und das zurecht: Sie war die erste Albanerin, die ein eigenes „albanisches Militärfahrzeug“ entworfen und gebaut hat – einen gepanzerten Truppentransporter mit dem symbolischen Namen „Shota“, berichtet albinfo.ch.

Der deutsche Fernsehsender MDR widmete „Shota“ einen Beitrag und einen Artikel, aus dem hier gekürzt wiedergegeben wird.

In Albanien gelten Frauen als besonders benachteiligt. Patriarchale Traditionen prägen ihren Alltag, häusliche Gewalt ist weit verbreitet. Und doch ist es ausgerechnet eine Frau, die nun das erste Militärfahrzeug Albaniens konstruiert – ein Beispiel dafür, wie sich Frauen in einer männerdominierten Gesellschaft behaupten und in sogenannten „Männerberufen“ erfolgreich sein können.

Ein Militärfahrzeug made in Albania – von einer Frau gebaut

„Ich wollte schon immer etwas Großes machen“, sagt die 38-jährige Arjeta Puca. Und das hat sie getan: In der Werkhalle ihrer Firma am Stadtrand von Tirana steht ein acht Tonnen schweres, gepanzertes Militärfahrzeug, das bis zu zehn Personen Platz bietet. Auf dem Kühlergrill prangt in großen Buchstaben der Name einer albanischen Freiheitskämpferin aus dem frühen 20. Jahrhundert: SHOTA.

Um die Fahrertür zu öffnen, muss die studierte IT-Ingenieurin mit beiden Daumen fest auf den Öffnungsknopf drücken. Die letzten Reste ihres weißen Nagellacks schimmern auf ihren Fingernägeln. Im Juni 2024 stellte sie ihren Prototypen auf der weltgrößten Verteidigungsmesse in Paris vor.

Noch ist „Shota“ nicht verkauft. Sollte sich das ändern, wären Puca und ihre Firma TIMAK die ersten Frauen weltweit, die Militärfahrzeuge produzieren. Schon heute gehört sie zu den wenigen Frauen in der Automobilbranche – nicht nur in Albanien.

Seit sie vor sieben Jahren ein Unternehmen zur Herstellung von Spezialfahrzeugen gründete, muss sie sich immer wieder beweisen. „In Besprechungen gingen technische Fragen anfangs meist an meine männlichen Kollegen. Erst als sie merkten, dass ich die Einzige war, die antwortete, änderte sich das.“

Gleichberechtigung nur auf dem Papier

Arjeta arbeitet nicht nur in einer männerdominierten Branche, sondern auch in einer besonders patriarchalischen Gesellschaft. Zwar sind Frauen in Albanien gesetzlich gleichgestellt, doch in vielen Bereichen noch immer benachteiligt. Laut dem albanischen Statistikamt erleben rund die Hälfte aller Frauen im Laufe ihres Lebens geschlechtsspezifische Gewalt. Zum Vergleich: In Deutschland betrifft dies etwa ein Drittel aller Frauen.

Während viele Frauen in Albanien mit traditionellen Rollenbildern und Gewalt kämpfen, baut Puca gepanzerte Fahrzeuge – und ebnet damit auch anderen Frauen den Weg. Von ihren zwanzig Mitarbeitenden sind die meisten weiblich. „Ich will zeigen, dass manche Bereiche nicht nur Männersache sind. Frauen sollen sehen, dass auch sie in der Automobil- und Rüstungsindustrie erfolgreich sein können.“

Der hohe Frauenanteil ist zum Markenzeichen ihres Unternehmens geworden. Auf Gläsern in ihrem Büro stehen Sprüche wie: „Manche Frauen fürchten das Feuer, andere tanzen darin.“ Letzteres scheint auch auf Puca selbst zuzutreffen, die scheinbar unerschöpfliche Energie besitzt. In den letzten Jahren hat ihre Firma zahlreiche Spezialfahrzeuge für Feuerwehr und Polizei gefertigt. Im September 2024 übergab TIMAK 65 Rettungswagen an die Ukraine.

Ein Weg voller Mut und Entschlossenheit

Mut zu Neuem hatte Puca schon früh – unterstützt von ihren Eltern. Als Albanien 1991 nach dem Fall des stalinistischen Regimes im Chaos versank, floh die Familie in die Türkei. Ihr Vater schaffte dort mit harter Arbeit den Aufstieg – vom Hydraulik-Ingenieur zum Gründer einer Firma für Schneefahrzeuge, berichtet albinfo.ch. Arjeta aber sehnte sich nach ihrer Heimat und kehrte mit 30 Jahren in ein Land zurück, das sie kaum noch kannte.

Ihren Erfolg verdankt sie auch der Unterstützung ihrer Familie und ihrer internationalen Berufserfahrung. Schon als Kind begleitete sie ihren Vater samstags zur Arbeit, wo er ihr technisches Grundwissen vermittelte und ihr später ein Studium in der Türkei ermöglichte. Danach arbeitete sie bei Bosch in Deutschland und Japan.

Dass ausgerechnet eine Frau das erste Militärfahrzeug Albaniens baut, ist mehr als eine persönliche Erfolgsgeschichte. Es ist ein Zeichen des Wandels – auch wenn der Weg noch lang ist. Pucas Botschaft an junge Frauen: „Folgt euren Träumen – egal, wie absurd sie anderen erscheinen.“