Integration

Erfolgreicher Neubeginn bei null

Valdete Mena aus Veleshta bei Struga in Makedonien, wohnhaft im Kanton Zürich, erzählt uns in ihrem aufrichtigen Bericht über ihre Emigration in die Schweiz nach der Heirat, wie sie im "Boxring der Integration" den Schwierigkeiten trotzte und schwungvoll die Herausforderungen nahm.

Bevor ich 2008 in die Schweiz kam, hatte ich in meiner Heimat an der Universität von Tetova Psychologie studiert und diplomiert. Danach engagierte ich mich in Frauenvereinigungen als Freiwillige, ich war immer aktiv. Später lernte ich meinen Ehemann kennen, der in der Schweiz lebte, und für mich war das Verlassen meines Landes eine grosse Herausforderung und ein einschneidender Entscheid für meinen Lebensweg, weil ich wusste, dass ich alles von vorne beginnen musste. Doch nachdem mir mein Mann versprach, mir bei einer möglichst schnellen und erfolgreichen Integration behilflich zu sein, nahm ich an und kam hierher.

Am Anfang war das Leben hier sehr schwierig und monoton. Ich strengte mich an, Deutsch zu lernen, die Wörter zu erfassen indem ich sie aufschrieb, ich kaufte Bücher, dann begann ich, Intensivsprachkurse zu besuchen, die ich bis zum Niveau C1 abschloss. Ich erhielt mein Zertifikat und nun wollte ich eine Arbeit finden und weiterstudieren. Ich begann, einfache Arbeiten zu machen, nur um irgendwo dazuzugehören und die Mentalität und die Arbeitswelt in der Schweiz kennenzulernen. Ich denke, dass mir das Sprachdiplom viele Türen und manche Möglichkeit für Bewerbungen öffnete.

Zufällig sah ich ein Stellenangebot als soziale Betreuerin in einem Hort, dem Hort- und Krippenbetrieb Looren, in Kloten. Ich bewarb mich und sie nahmen mich. Jetzt sind es schon fast zwei Jahre, dass ich hier arbeite und ich bin sehr gut integriert.

Albinfo.ch: Wie funktionieren Hort und Kinderkrippe Looren in Kloten?

Valdete Mena: Wir sind zwei verantwortliche Mitarbeiterinnen und eine Lernende. Uns obliegt die Betreuung der Kinder, die zur Schule oder in den Kindergarten gehen. Der Hort ist von zwölf bis halb sieben geöffnet. Wir sorgen dafür, dass die Kinder etwas Gesundes essen, dann helfen wir ihnen beim Aufgabenmachen und organisieren verschiedene Programme. Die Kinder sollen sich nicht wie in der Schule fühlen, sondern wie in einem häuslichen Umfeld, jedoch mit klaren und definierten Regeln und Strukturen, die das Wohl der Kinder zum Ziel haben.

Wir haben Kinder verschiedener Nationalitäten, Kulturen und Religionen, mit unterschiedlichen Familiengeschichten, doch unsere Aufgabe ist es, uns um alle Kinder gleich zu kümmern, sie so anzunehmen, wie sie sind, sie zu verstehen und ihnen möglichst viel zu helfen, auch wenn sie uns Schwierigkeiten bei der Arbeit machen. Dies ist eine grosse Hilfe sowohl für aktiv im Erwerbsleben stehende Eltern, die arbeiten, wie auch für jene, die die Kinder selbst aufziehen. Bis jetzt sind alle Eltern sehr dankbar für die Arbeit, die wir hier machen.

Albinfo.ch:  Sprichst du zu den albanischen Kindern albanisch und sprechen sie zu dir albanisch?

Valdete Mena: Ja natürlich, schon wenn sie meinen Namen hören, sprechen sie albanisch zu mir und ich spreche albanisch zu ihnen und dies ist uns auch nicht verboten von Seiten des Hortes, doch gemäss Reglement ist es wünschenswert, dass wir alle deutsch sprechen, damit auch die andern Kinder verstehen, um was es geht.

Albinfo.ch: Valdete, konntest du als Psychologin irgendeinen Unterschied zwischen der Erziehung unserer Kinder und derjenigen der schweizerischen Kinder bemerken, etwa was Regeln oder Zeitpläne betreffend Essen, Lernen und anderes angeht?

Valdete Mena: Ich habe tatsächlich Unterschiede bemerkt, wenn auch nicht nur bei Kindern albanischer Herkunft. Was die albanischen Kinder betrifft, habe ich festgestellt, dass unsere Kinder oft sehr verwöhnt sind oder zumindest merke ich aufgrund der Gespräche, die wir mit ihnen führen, dass sie keinen regelmässigen Schlafzeitplan haben, sehr oft in Fastfoodrestaurants essen, nicht oft Aktivitäten wie Sport, Musik oder anderen nachgehen.

Doch ich versuche, diese Dinge zu verstehen, denn sie haben mit unserer Mentalität zu tun, die nicht negativ oder weniger gut als andere Mentalitäten ist, aber sie ist anders und kann nicht in kurzer Zeit ausgerottet und verändert werden. Ich bin sicher und überzeugt, dass die albanischen Eltern das Beste für ihre Kinder wollen, doch vielleicht müssen sie wagen, weiter zu gehen, andere Türen zu öffnen und zu schauen, was auf der andern Seite ist, lernen, dass Regeln eine andere Art, vielleicht auch eine produktivere und fruchtbarere Art für die Entwicklung der Kinder und ihre Zukunft sind. Dabei denke ich an regelmässigen Schlaf, möglichst wenig Süssigkeiten, möglichst viel Gemüse und Früchte in der Nahrung, möglichst wenig Spiele an der Playstation oder Videogames und möglichst viel Sport und verschiedene Aktivitäten für Kinder. Es wäre gut, wenn die Kinder einmal in der Woche in den Zirkus oder ins Theater gehen, möglichst viel mit andern Kindern zusammen sind und dem Fernsehen möglichst fern bleiben, denn all dies trägt zu ihrer Entwicklung bei. Falls die Dinge, die ich aufzählte, viel Geld kosten, bietet die Schule ja alle diese Aktivitäten beinahe kostenlos an, wie Sport, Schwimmen, Singen, Tanzen etc.

Albinfo.ch: Sind deiner Meinung nach die albanischen Frauen in der Schweiz an diesen Aktivitäten nicht interessiert oder nicht darüber informiert?

Valdete Mena: Ich kann nicht über alle albanischen Frauen in der Schweiz verallgemeinernd sprechen, denn ich kenne viele von ihnen, die sehr fähig, stark, intellektuell sind und alle positiven Epitheta auf sich vereinigen, doch ich höre, dass es auch viele Frauen gibt, die nicht genügend integriert sind. Doch ich bin sehr positiv eingestellt und überzeugt, dass unsere Gesellschaft sich in der Schweiz stark entwickelt hat, in der Arbeitswelt und allen Lebensbereichen Fortschritte gemacht hat. Wir haben heute viele Ärztinnen, Mitarbeiter in den Spitälern, Banken, in der Verwaltung, und ich bin stolz darauf. Wir sind wirklich ein intelligentes Volk, wissensdurstig, und ich ermutige alle albanischen Frauen, vorwärts zu gehen, denn sie werden es schaffen, sie müssen nur Geduld und Selbstvertrauen haben und daran arbeiten.

Die Ambitionen von Valdete enden nicht im Kinderhort Looren. Sie sagt, dies sei nur der Anfang, und ihr Plan sei es, sehr bald mit einem Masterstudium in Psychologie zu beginnen, um später als Kinderpsychologin zu arbeiten.

Silvije Buçaj Shehi, Kriminologin in der Schweiz