Integration

Wer holt für die Kosovaren ihre Guthaben von den Schweizer Rentenkonten?

Immer mehr Anwaltsbüros und andere Firmen versprechen Kosovaren, ihnen das Guthaben von ihrem Schweizer Rentenkonto „herauszuholen“. Albinfo.ch konfrontierte die Beteiligten mit Fragen zu dieser Angelegenheit.

B. S., ein 55-jähriger aus Prishtina, hatte sieben Jahre in der Schweiz gearbeitet und kehrte dann zurück, um in Kosovo zu leben. Die Zeit bis zum Erreichen des Pensionsalters schien ihm sehr lange, und die Aufhebung des Sozialversicherungsabkommens zwischen der Schweiz und Kosovo machte ihm die Sache noch komplizierter. So entschied er sich, die aus seiner Arbeit in der Schweiz geleisteten Beiträge zu beziehen. Er hatte gehört, dass es in Kosovo Anwälte gibt, die in dieser Sache vermittelten. Er fand einen Anwalt in Prishtina, der zehn Prozent von der Summe, die er für ihn auslösen würde, für sich selbst verlangte. B.S. nahm an, obwohl ihm dieser Anteil etwas gar hoch schien. „Besser so als gar nicht oder nach 10-15 Jahren“, dachte er. Und die Sache wurde wie vereinbart geregelt.
So wie B.S. gibt es Tausende ehemaliger kosovarischer Arbeiter, die in der Schweiz gearbeitet haben und in Ermangelung einer monatlichen Rente sich dafür entscheiden, ihre geleisteten Beiträge zu beziehen. Überall in Kosova gibt es Anwaltsbüros, die auch folgende Dienstleistung anbieten: die Rückerstattung der Gelder aus der Arbeit in der Schweiz.

Das Büro “Gjeloshi&Partners” ist eines davon. Dieses Büro fiel in jüngster Zeit mit Werbereportagen auf, die es in kosovarischen Medien publizierte.

Auf Anfrage von albinfo.ch sagt der Leiter des Büros, Zef Gjeloshi, dass die von seinem Büro angebotene Dienstleistung « einzigartig » sei. Was seine Firma von Anwälten in Kosovo unterscheide, ist laut ihm in erster Linie die Tatsache, dass er ein Jurist mit Schweizer Diplom sei. „Ich bin ein Jurist aus der Schweiz und führe alle Arbeiten in der Schweiz aus. Das heisst, dass ich die aktuellen Gesetze in der Schweiz kenne, die Sprache beherrsche, etc. Ein Jurist aus einem andern Land kann jemanden im Zusammenhang mit den Gesetzen eines bestimmten Staates nicht gleich gut beraten wie ein Jurist aus eben jenem Staat“, ergänzt Gjeloshi.

In Bezug auf seine Klienten sagt Gjeloshi, es handle sich in der Mehrheit um Personen, die in der Schweiz gearbeitet hätten und nun in Kosova oder in EU-Ländern lebten. Sie kennten ihre Rechte nicht. Doch geht aus einer Erklärung, die das Bundesamt für Sozialversicherungen gegenüber albinfo.ch machte, hervor, dass die Beiträge, welche unser Gesprächspartner auszulösen verspricht, auch ohne die Vermittlung irgendwelcher Firmen erstattet werden können. Weshalb sollte in diesem Fall ein Büro für diese Dienstleistung bezahlt werden, fragten wir den Leiter von “Gjeloshi&Partners”. Er bestreitet nicht, dass die Unkenntnis der Verfahren, der Sprache etc. auf Seiten der kosovarischen Landsleute dazu führt, dass er genug Arbeit hat.

Gjeloshi:  Viele wissen nicht einmal, wie sie das Internet benutzen können

« Es stimmt, dass die Schweiz alle Informationen in dieser Sache veröffentlicht. Doch viele unserer Klienten wissen überhaupt nichts über ihre Rechte. Viele können die Sprache nicht, wissen nicht, wie das Internet benutzt wird, wie Formulare ausgefüllt werden, ja, es gibt auch Analphabeten unter ihnen. Über unser Büro hingegen wird ihnen ihr Geld innert drei Monaten auf ihr persönliches Konto ausbezahlt. Für Informationen und Beratungen verlangen wir kein Geld.“

Sein Büro setze die Klienten darüber in Kenntnis, dass sie, wenn sie sich ihre Beiträge erstatten lassen, beim Erreichen des Pensionsalters keine Rente erhalten werden, erklärt Gjeloshi. „Zuerst fragen wir sie nach den Dokumenten der staatlichen Behörden der Schweiz. Dort steht, wieviel unser Klient gearbeitet und wieviel er verdient hat. Aufgrund dieser Dokumente berechnen wir, wieviel Geld ihm heute zusteht und wieviel Geld ihm zusteht, wenn er bis zum Erreichen des 65. Altersjahrs wartet und wenn es zu einem Abkommen zwischen der Schweiz und Kosovo kommt. Und danach muss der Klient selbst entscheiden, ob er sich das Geld heute erstatten lässt oder ob er warten will … .“

Aufgrund seiner Erfahrung stellte Gjeloshi fest, dass etwa 60 % der Klienten entschieden, das Geld sofort zu nehmen (weil sie das Geld dringend benötigten). 40 % wollten warten oder seien unentschieden.
Doris Malär, stellvertretende Leiterin im Geschäftsfeld Internationale Angelegenheiten beim Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV), sagt im Gespräch mit albinfo.ch, das BSV sei informiert darüber, dass Firmen, die bei der Rückerstattung der Beiträge jener Kosovaren, die in der Schweiz gearbeitet haben und jetzt nach Kosova zurückgekehrt sind, vermittelten. Laut ihr geht es dabei oft um reine Geldmacherei auf dem Rücken der Kosovaren.

Malär (BSV/OFAS): Eine Rechtsvertretung für die Rückerstattung der Beiträge ist unnötig „Leider haben auch wir oft gehört, dass gewisse Leute beziehungsweise Unternehmen in Kosovo versuchen, die Situation auszunützen, um  den betroffenen Personen – unter Vorspiegelung von falschen Angaben – einen Teil ihres Guthabens als Entgelt für angeblich nötige Vertretung in dieser Angelegenheit abzunehmen.  Ob diese Art von Beratung bzw. Vertretung nach kosovarischem Recht zulässig ist, können wir nicht beurteilen. Aus unserer Sicht handelt es sich oft um reine Geldmacherei“, sagt Malär.

„Wir haben Albinfo und andere Stellen auch bereits mehrmals im Detail über die derzeitige Rechtslage für kosovarische Staatsangehörige im Zusammenhang mit den schweizerischen Sozialversicherungen informiert. Sie finden das entsprechende Merkblatt in verschiedenen Sprachen (u.a. albanisch und serbisch) auf unserer Internetseite, http://www.bsv.admin.ch/themen/internationales/aktuell/index.html?lang=de .
Wir verweisen insbesondere auf Kapitel 6, Beitragsrückvergütung. Hervorzuheben ist, dass für eine allfällige Beitragsrückerstattung KEINE Vertretung durch irgendeine Firma o.ä. erforderlich ist“, betont Doris Malär.
„Die betroffenen Personen können die Formulare im Internet  herunterladen und selber ausfüllen. Bei Fragen oder Problemen kann man sich an die Schweizerische Ausgleichskasse in Genf wenden, die für die Rückvergütung zuständig ist. In vielen Fällen können die Beiträge auch in der schweizerischen Versicherung  belassen werden, damit später im Falle eines neuen Abkommens die Ansprüche bestehen bleiben. Dies betrifft insbesondere  Personen, die noch weit vom Rentenalter entfernt sind“, sagt sie und fügt hinzu: „ Wir begrüssen es sehr, wenn Albinfo in diesem Zusammenhang die richtigen Informationen unter die Leute bringt und damit mindestens in einem gewissen Ausmass falsche Angaben in der kosovarischen Öffentlichkeit korrigieren kann. Durch solche Massnahmen können die betroffenen Personnen vor den unlauteren Machenschaften gewisser Firmen und Privatpersonen gewarnt werden.“

Ibrahimi: Die Vermittler handeln nicht gesetzeswidrig, doch sie profitieren vom Unwissen der Klienten

Laut Ruzhdi Ibrahimi, Sozialversicherungsfachmann und Mitarbeiter der Arbeitslosenkasse der UNIA in Basel, führten jene Firmen, die sich rühmten, Kosovaren, die in der Schweiz gearbeitet haben, „ ihre Renten herauszuholen“, ihre Tätigkeit zwar innerhalb des geltenden gesetzlichen Rahmens aus. „Doch ganz bestimmt nützen sie den Mangel an Informationen und die Unkenntnis der Gesetze der Mehrheit unserer betroffenen Landsleute aus“, sagt Ibrahimi zu albinfo.ch.

« Bekanntlich ist es unnötig, für den Bezug der Rente (oder die sofortige Rückerstattung der Beiträge) irgendeinen Vermittler zu bezahlen. Es genügt, das Formular der Schweizerischen Ausgleichskasse herunterzuladen, es auszufüllen und die nötigen Dokumente beizulegen. Danach erhältst du deine Beiträge, genau nach drei Monaten, gerade so wie es auch die Vermittlungsfirmen versprechen. Mit dem Unterschied, dass du besagten Firmen etwas bezahlen musst“, sagt Ibrahimi. Er bedauert es, dass das Engagement von ihm und anderen Gewerkschaftern, die kosovarischen Landsleute in dieser Sache zu informieren, nicht genügend Wirkung gezeigt hat. Immer noch gibt es viele, die für die Inanspruchnahme eines derart eindeutigen Rechts „spezialisierte Büros“ bezahlen.

Wie Ibrahimi weiter sagt, entbehre es angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage mancher nach Kosova zurückgekehrten Kosovaren einer moralischen Grundlage, von jenen, die entscheiden, sich ihre Beitragsgelder ohne auf die Unterzeichnung eines Abkommens zwischen der Schweiz und Kosova zu warten zurückvergüten zu lassen, zu verlangen, dies nicht zu tun.

« Infolge der Auflösung des Abkommens zwischen Kosovo und der Schweiz können sie nicht Monat für Monat ihre Renten beziehen, solange sie in Kosovo leben. Deshalb finden sie es vernünftig, für ihre Bedürfnisse die Beiträge als Ganzes, auf einmal zu beziehen. Sicher schadet ihnen dies auf die Länge selbst, doch es schadet auch unseren Bemühungen für den Abschluss eines neuen Sozialversicherungsabkommens zwischen der Schweiz und Kosovo. Es bedeutet, dass, wann immer ein neues derartiges Abkommen zustande kommt, davon nur die zukünftigen Alters- oder Invaliditätsrentner profitieren werden und nicht die heutigen, für welche der Kampf ausgetragen wird“, sagt Ruzhdi Ibrahimi.