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Kriminelle Organisation aus Bulgarien: Anklageerhebung gegen die Credit Suisse und Mitglieder der Organisation
Sie erhebt Anklage gegen die Bank Credit Suisse AG und wirft ihr vor, nicht alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehren getroffen zu haben, um die Geldwäscherei von Vermögenswerten zu verhindern, welche der kriminellen Organisation gehörten und unter ihrer Kontrolle standen
Nach umfangreichen Ermittlungen zu den schweizerischen Geschäftstätigkeiten einer bedeutenden, im internationalen Betäubungsmittelhandel und in der grossangelegten Geldwäscherei der daraus gewonnenen Erträge aktiven kriminellen Organisation aus Bulgarien, hat die Bundesanwaltschaft (BA) Anklage beim Bundesstrafgericht (BStGer) eingereicht. Sie erhebt Anklage gegen die Bank Credit Suisse AG und wirft ihr vor, nicht alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehren getroffen zu haben, um die Geldwäscherei von Vermögenswerten zu verhindern, welche der kriminellen Organisation gehörten und unter ihrer Kontrolle standen. Die BA erhebt gleichzeitig Anklage gegen eine ehemalige Kundenbetreuerin der Bank und zwei Mitglieder der kriminellen Organisation.
Die kriminelle Organisation
Mit dem Ende des Kommunismus in Bulgarien sahen sich Spitzensportler ohne finanzielle Unterstützung nach anderen Einkommensquellen um. So wurden etwa auch viele Ringer von mafiösen Clans angesprochen. Einer von ihnen entwickelte und leitete mindestens im Zeitraum zwischen dem Beginn der 2000er-Jahre und 2012 eine hierarchisch aufgebaute und verzweigte kriminelle Struktur zum Zweck der Bereicherung ihrer Mitglieder durch Kokainhandel und die Wäsche der daraus erzielten Gewinne. In diesem Zeitraum organisierte der Protagonist die Einfuhr mehrerer Dutzend Tonnen Kokain von Südamerika nach Europa mittels Kurieren per Boot und Flugzeug. Der Protagonist wurde dafür in mehreren europäischen Staaten rechtskräftig zu langen Freiheitsstrafen verurteilt; etwa auch 2017 in Italien, wo seine Zugehörigkeit zu einer kriminellen Organisation gerichtlich festgestellt wurde.
Der Erlös aus dem Verkauf der Betäubungsmittel wurde mindestens im Zeitraum zwischen 2004 und 2007 insbesondere in gebrauchten Eurobanknoten kleiner Stückelung auf Bankkonten unter der Kontrolle der kriminellen Organisation in der Schweiz deponiert und danach insbesondere durch Immobilienkäufe in Bulgarien und in der Schweiz in den legalen Wirtschaftskreislauf eingeschleust. Vor allem im Zeitraum zwischen Juni und September 2007 war die kriminelle Organisation damit beschäftigt, die Gelder krimineller Herkunft in Sicherheit zu bringen und der Justiz zu entziehen, insbesondere indem sie sie von der Schweiz ins Ausland überwies und die schweizerischen Konten und Bankschliessfächer der Organisation schloss.
Der schweizerische Verfahrenskontext
Die BA eröffnete am 1. Februar 2008 ein Strafverfahren gegen einen als Hilfsarbeiter im Wallis wohnhaften bulgarischen Ringer und gegen dessen Patron insbesondere wegen des Verdachts der Geldwäscherei (Art. 305bis StGB) und der Zugehörigkeit zu einer kriminellen Organisation (Art. 260ter StGB). Zwischen September 2008 und Juni 2015 verfügte die BA mehrere Verfahrensausdehnungen: Wegen derselben Straftaten auf einen im Ringermilieu verkehrenden ehemaligen Bankangestellten; wegen des Verdachts der schweren Geldwäscherei und der Beteiligung an einer kriminellen Organisation auf den Anführer der oben beschriebenen kriminellen Organisation, auf dessen bulgarischen Vertrauensmann und Finanzberater, auf des Anführers Exfrau und Konkubine, auf deren Schwester, auf ein anderes hochrangiges Mitglied der Organisation, auf dessen Ehefrau sowie auf eine ehemalige Kundenbetreuerin der Credit Suisse, die sich um die Geschäftsbeziehungen der kriminellen Organisation kümmerte. Zudem wegen Widerhandlung gegen Art. 305bis Ziff. 1 und 2 StGB in Verbindung mit Art. 102 StGB auf die Bank Credit Suisse AG; und wegen des Verdachts der schweren Geldwäscherei auf einen ehemaligen Angestellten einer Gesellschaft der Credit Suisse Group, der mit der Einrichtung von «Special Finance Transactions» beauftragt war.
Im März 2017 wurde der schweizerische Patron des bulgarischen Ringers per Strafbefehl wegen schwerer Geldwäscherei verurteilt, insbesondere, weil er im Februar 2006 umgerechnet mehr als CHF 4 Millionen in kleinen Banknoten mit seinem Personenwagen von Barcelona in die Schweiz zu schmuggeln versuchte. Im November 2019 und im Januar 2020 trennte die BA die Verfahren betreffend den Anführer der kriminellen Organisation, das andere hochrangige Mitglied der Organisation und dessen Ehefrau vom Hauptverfahren. Dies infolge der Unmöglichkeit, den Anführer und die Frau zu finden und das hochrangige Mitglied innert nützlicher Frist einzuvernehmen.
Am 15. Dezember 2020 trennte die BA die Verfahren betreffend den ehemaligen Bankangestellten, die Exfrau und Konkubine des Anführers sowie deren Schwester vom Hauptverfahren und erliess Strafbefehle gegen diese drei Personen. Gleichzeitig erliess sie betreffend den ehemaligen Angestellten einer Gesellschaft der Credit Suisse Group eine Einstellungsverfügung. Und schliesslich erhob die BA Anklage gegen die Credit Suisse AG und die drei übrigen natürlichen Personen.
Anklageerhebung
Die BA hat bei der Strafkammer des BStGer Anklage erhoben gegen (i) den Vertrauensmann und Finanzberater des Anführers, (ii) die ehemalige Kundenbetreuerin der Credit Suisse, (iii) die Bank Credit Suisse AG und (iv) den im Wallis wohnhaften bulgarischen Ringer.
(i) Um die aus den Straftaten der kriminellen Organisation stammenden Gelder zu waschen, bediente sich der Anführer der Dienste eines Vertrauensmanns zur Einrichtung und Verwaltung einer juristischen und wirtschaftlichen Struktur insbesondere in der Schweiz, in Österreich und in Zypern. Dieser Strohmann fungierte auch als Verbindungsglied zwischen den Banken in der Schweiz und den anderen Mitgliedern der Organisation und hatte den Gesamtüberblick über das ganze Geldwäschereiprozedere. Die Anklage wirft ihm vor, im Zeitraum zwischen Oktober 2004 und Januar 2009 als Mitglied der kriminellen Organisation Handlungen vorgenommen zu haben, die geeignet waren, die Ermittlung der Herkunft sowie die Einziehung von Vermögenswerten krimineller Herkunft, die der Organisation gehörten und unter ihrer Kontrolle standen, in Höhe von umgerechnet über CHF 80 Millionen zu vereiteln.
(ii) Die ehemalige Kundenbetreuerin der Credit Suisse AG war mindestens im Zeitraum zwischen Juli 2004 und Dezember 2008 für die Geschäftsbeziehungen im Zusammenhang mit der kriminellen Organisation verantwortlich. Bis 2008 führte sie auf Instruktion dieser Klientel Transaktionen aus bzw. liess solche ausführen, obwohl starke Hinweise vorlagen, dass die Gelder von einem Verbrechen herrührten, und missachtete dabei insbesondere ihre Sorgfaltspflichten gemäss Bundesgesetz über die Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung (GwG) und der Verordnung der Eidgenössischen Bankenkommission zur Verhinderung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung (GwV-EBK). Die Kundenbetreuerin verhinderte zudem die Meldung an die Meldestelle für Geldwäscherei (MROS). Darüber hinaus unterstützte sie die kriminelle Organisation aktiv, Gelder kriminellen Ursprungs mit einem Back-to-Back-Kredit in der Höhe von umgerechnet rund CHF 16 Millionen in den legalen Wirtschaftskreislauf einzuschleusen. Dadurch vereitelte die Kundenbetreuerin die Ermittlung der Herkunft sowie die Auffindung und die Einziehung von Geldern krimineller Herkunft dauerhaft und wiederholt und trug so dazu bei, die kriminelle Herkunft des Vermögens der kriminellen Organisation durch die Ausführung von Finanztransaktionen von insgesamt mehr als CHF 140 Millionen zu verschleiern.
(iii) Die Credit Suisse AG in Zürich sah mindestens im Zeitraum zwischen Juli 2004 und Dezember 2008 weder die Pflicht vor, mehrere Geschäftsbeziehungen, die denselben Inhaber, denselben wirtschaftlich Berechtigten oder dieselbe Gruppe von wirtschaftlich Berechtigten hatten, zu konsolidieren oder zu gruppieren, noch die Pflicht, sie einer einheitlichen Risikostufe zuzuordnen. In der Praxis widersprachen sowohl das Verfahren der Eröffnung und Überwachung der Geschäftsbeziehungen durch die Kundenbetreuer als auch die Kontrollen der Vorgesetzten den geltenden Geldwäschereivorschriften und den internen Weisungen der Bank. Die Kundenbetreuer klärten Transaktionen mit erhöhten Risiken nicht bzw. nicht hinreichend ab, und das System der Kontrollen durch die Hierarchie und die Compliance war mangelhaft. Ebenso problematisch war, dass der Prozess der Analyse, Koordination, Meldung und Sperre der Bankkonten dysfunktional war und nicht verhindern konnte, dass Gelder der bulgarischen kriminellen Organisation in der Höhe von umgerechnet rund CHF 35 Millionen fortgeschafft wurden – selbst nach einem im August 2007 erlassenen Beschlagnahmebefehl der BA.
Die Credit Suisse wusste spätestens seit 2004 von diesen Mängeln. Dadurch, dass die Bank diese Mängel bis 2008 und darüber hinaus weiterbestehen liess, vereitelte sie die Erkennung von Geldwäschereihandlungen der kriminellen Organisation und der Kundenbetreuerin bzw. verunmöglichte sie deren Verhinderung.
(iv) Dem im Wallis wohnhaften Ringer wird vorgeworfen, im Zeitraum zwischen Juli 2005 und April 2009 Handlungen begangen zu haben, die geeignet waren, die Ermittlung der Herkunft und die Einziehung von Vermögenswerten in der Höhe von umgerechnet rund CHF 7 Millionen zu vereiteln.
Zusammenfassend wird der Credit Suisse AG in Zürich vorgeworfen, nicht alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehren getroffen zu haben, um die Verwirklichung der Straftat der schweren Geldwäscherei zu verhindern (Art. 305bis Ziff. 1 und 2 StGB in Verbindung mit Art. 102 Abs. 2 StGB), die die Kundenbetreuerin begangen hat, die für die Geschäftsbeziehungen im Zusammenhang mit der kriminellen Organisation verantwortlich war.
Den drei natürlichen Personen wirft die Anklage vor, sich der schweren Geldwäscherei schuldig gemacht zu haben (Art. 305bis Ziff. 1 und 2 StGB). Dem Vertrauensmann und Finanzberaters des Anführers der Organisation und dem bulgarischen Ringer wird ausserdem vorgeworfen, sich der Beteiligung an einer kriminellen Organisation im Sinne von Art. 260ter StGB bzw. der Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251 StGB schuldig gemacht zu haben.
Strafbefehle
Mit dem ersten Strafbefehl wird der ehemalige Bankangestellte verurteilt, der in Genf Vermögensverwalter war, bevor er im Sommer 2007 kündigte, um ausschliesslich für die kriminelle Organisation tätig zu sein. Dem Bankier wird vorgeworfen, jene Schritte unterlassen zu haben, zu denen er gemäss den geltenden Geldwäschereivorschriften verpflichtet gewesen wäre und die kriminelle Organisation unterstützt zu haben, indem er insbesondere Schritte unternahm, um in der Schweiz eine Gesellschaft zum Zweck der Verwaltung des Vermögens der kriminellen Organisation zu gründen.
Der zweite und der dritte Strafbefehl richten sich gegen die Exfrau und Konkubine sowie gegen deren Schwester. Beide waren in Finanz- und Immobilientransaktionen verwickelt, die dazu dienten, die Erlöse der kriminellen Organisation in der Schweiz zu waschen. Ausserdem organisierten die beiden Schwestern spätestens ab Juli 2007 die kontinuierliche Fortschaffung des in der Schweiz befindlichen Vermögens der kriminellen Organisation, um dieses auf Konten im Ausland in Sicherheit zu bringen und so dessen Einziehung zu verhindern.
Die BA wird ihre Strafanträge wie immer an der Hauptverhandlung vor dem BStGer stellen. Mit Einreichung der Anklage ist das BStGer für weitere Informationen zuständig. Wie immer gilt für die Beschuldigten die Unschuldsvermutung. Die BA macht keine weiteren Angaben zur Anklageerhebung, zu den Strafbefehlen, zur Einstellung oder zu in diesem Zusammenhang noch laufenden Strafverfahren.
Die BA hat darauf verzichtet, gegen sämtliche in dieser Angelegenheit beschuldigten Personen Anklage zu erheben, und hat mehrere davon für die oben beschriebenen Tatsachen deshalb per Strafbefehl verurteilt. Die betroffenen Personen können innert 10 Tagen Einsprache gegen die Strafbefehle erheben. Bei Einsprache wird gegen sie Anklage beim BStGer erhoben. Ohne Einsprache erwachsen die Strafbefehle zu rechtskräftigen Urteilen.
Solange die Strafbefehle bzw. die Einstellungsverfügung nicht rechtskräftig geworden sind, kann keine öffentliche Einsichtnahme in diese ermöglicht werden.
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