Albanien jenseits des Meeres
Albanien erfreut sich neuerdings der Aufmerksamkeit der Vogelbeobachter
Unter den anderthalb Millionen ausländischer Touristen, die letztes Jahr Albanien besuchten, findet sich neu auch der eine oder die andere mit Fernrohr und Notizblock ausgerüstete Vogelbeobachterin
Nach einem langen Beobachtungstag in der Saline und Lagune von Narta setzten sich neulich an einem Juliabend achtzehn Mitglieder der schwedischen Ornithologischen Gesellschaft Birdlife Schweden an den Tisch und zogen ihre Notizblöcke hervor. Es zirkulierte auch eine Kopie von Fåglar i Europa med Nordafrika och Mellanöstern (Vögel Europas, Nordafrikas und des Mittleren Ostens).
Die meisten Menschen besuchen Albanien, um den Sommer am Mittelmeer zu geniessen oder in den Bergen zu wandern. Halten wir uns auch vor Augen, dass der ganze Tourismussektor, abgesehen von ein paar wenigen Abenteurern, sich vor zehn Jahren quasi aus verlängerten Küstenrundfahrten von Dalmatien und den Ionischen Inseln her entwickelte. Nicht wenige lassen sich von den günstigen Preisen oder den grösstenteils unberührten Stränden anziehen.
Von null auf dreihundert Vogelbeobachter
Aber unter den anderthalb Millionen ausländischer Touristen, die letztes Jahr Albanien besuchten, findet sich nun neuerdings auch der eine oder die andere mit Fernrohr und Notizblock ausgerüstete Vogelbeobachterin.
„Dieses Jahr sind es wohl schon dreihundert Personen“, sagt Taulant Bino, der Präsident der Albanischen Ornithologischen Gesellschaft (AOS). Wobei es drei Jahre vorher praktisch null gewesen waren.
Sie kommen aus verschiedenen Gründen, sagt Bino. Nach einer Runde in den archäologischen Stätten des Mittelmeers letzten Juni hatten einige Touristen die Nase voll von antiken Ruinen, und ob Äneas auf seiner Reise von Troja nach Rom den Südrand Albaniens passiert hatte, wie es Vergil dichtete, kümmerte sie herzlich wenig. Als sie vom Kreuzfahrtschiff im Hafen von Saranda an Land gingen, suchten sie zehn Kilometer weiter nördlich einen Guide für die Vögel des Nationalparks von Butrint, einfach für einen Spaziergang.
Jemand beantragte eine Arbeitsbewilligung in Albanien, um sich seiner Leidenschaft der Vogelbeobachtung widmen zu können.
Mehrheit kommt aus Nordeuropa
Die Zahlen sind noch lückenhaft, doch scheinen die meisten Angehörigen dieser Interessengruppe aus Nordeuropa oder anderen Kontinenten zu kommen, um sich eine andere als ihre gewohnte Vogelwelt zu suchen, die sie zudem mit historischen Schrullen Albaniens anreichern können – Transportkorridore des Römischen Kaiserreichs, Moscheen aus der langen osmanischen Zeit, oder Bunker des Kalten Krieges. Die verlassenen Bunker der Küste zum Beispiel beherbergen nebst Fledermäusen auch Rötelschwalben (cecropis daurica).
Die Tourismusbetreiber verzeichneten Australier und Amerikanerinnen, Deutsche und Briten, Ungarinnen und Slowenen.
In Schweden findest du keine Lachseeschwalben, sagte HG Karlsson von Birdlife Schweden im Restaurant in Narta zu Bino. Gelochelidon nilotica, die zur Familie der Möwen gehört, hatte dort nur in ein oder zwei Fällen beobachtet werden können, irgendwann in den 60-er-Jahren. Auf die Notizblöcke folgten dann Bier und Whisky.
In Albanien findet sich das westlichste Vorkommen der Krauskopfpelikane
Die AOS hat einige Routen für die Vogelbeobachtung ausgearbeitet. Um den Wendehals (Jynx torquilla) und andere Spechtarten zu sehen, und fast 30 Vogelarten insgesamt, genügt es, auf den Mali i Dajtit zu gehen, östlich von Tirana.
Und dann gibt es den Grossen Prespasee, den Albanien im Südosten mit Makedonien teilt. Neben der Muttergotteskirche aus dem 14. Jahrhundert auf der Insel Maligrad hielt sich dort letztes Jahr eine ganze Kolonie von Gelbfussmöwen auf (Larus cachinnans). Zwar ist sie an der Donau allgegenwärtig, doch war sie noch nie so weit unten im Balkan gesichtet worden.
Albanien ist die westliche Grenze eines Raumes, der im Osten in der Mongolei beginnt, in welchem die Krauskopfpelikane (Pelicanus crispus) brüten, in der Lagune von Karavasta in Zentralalbanien.
Und ein spezielles Habitat ist der Nordwesten des Landes, sagt Bino. Als da wären die Wasservögel im Shkodrasee und die Grosstrappen (Otis tarda) in den Wiesen und Feldern oberhalb des Sees, oder die Alpendohlen (Pyrrhocorax graculus) und Mauerläufer (Tichodroma muraria) in den Bergen im Norden. (Übersetzung auf deutsch: Sarah Grettler)
AOS bietet Unterstützung
Die Albanische Ornithologische Gesellschaft (www.aos-alb.org, email: [email protected]) bietet Unterstützung bei der Zusammenstellung von Vogelbeobachtungsrouten.
Bulevardi “Gjergj Fishta” Kulla Nr.2, kati 4, hyrja 18
1001 Tirana, Albania
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