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Menschen mit Migrationshintergrund, haben spezifische Herausforderungen zu meistern

Ein Interview mit Cornelia Meierhans Fachmitarbeiterin Prävention, Psychologin MSc zum Thema Psychische Gesundheit, speziell im Kontext von Migration

“Mit herausfordernden Situationen müssen wir alle in unserem Leben zurechtkommen. Menschen, die eine Migrationserfahrung gemacht haben, haben spezifische Herausforderungen zu meistern. Es hängt aber weniger von der Migration als von den Möglichkeiten der Person ab, wie sie damit umgehen kann. Es ist zum Beispiel wichtig, dass man die Umgebung, in der man lebt, versteht: Spreche ich die Sprache, um mich mitzuteilen? Was wird von mir erwartet? Wie und wo kann ich mir Hilfe holen? Wer Antworten auf diese Fragen kennt, kann auch besser für sein Wohlbefinden sorgen”.

*Können Sie Ihr Angebot für Migrantinnen und Migranten kurz beschreiben?

Die Berner Gesundheit arbeitet im Auftrag des Kantons Bern. Unsere Kernaufgaben sind Gesundheitsförderung, Prävention, Sexualpädagogik sowie Suchtberatung und -therapie. Zum Thema psychische Gesundheit arbeiten wir mit Institutionen, sowie mit Mütter und Väter. Es geht dabei darum, wie Erwachsene Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung unterstützen können.

* In welchen Sprachen steht Ihr Angebot zur Verfügung?

Wir arbeiten mit allen Sprachgruppen und ziehen, wenn immer nötig, eine professionelle Übersetzung bei. Mit Mütter und Väter mit Migrationshintergrund arbeiten wir oft im Kontext von Elterngruppen, Mütter- oder Vätergruppen oder anderen organisierten Austauschtreffen.

* Wie oft wird das Angebot von Migrantinnen und Migranten in Anspruch genommen?

Durch unser Netzwerk im Kanton Bern zu Migrantenvereinen und Schlüsselpersonen zu verschiedenen Communities erreichen wir eine zunehmende Zahl von Menschen mit Migrationshintergrund. Dies ist für uns ein wichtiges Anliegen, da diese Gruppe von Menschen oft weniger von den öffentlichen Angeboten profitiert als die Schweizer Bevölkerung. In unseren Vätergruppen arbeiten wir mit einer Gruppe von albanischen Männern. (Interview mit Nexhat)

* Inwiefern unterscheidet sich die psychische Gesundheit von Migrantinnen und Migranten in der Schweiz von derjenigen von Einheimischen? Was sind Ihre Erfahrungen?

Mit herausfordernden Situationen müssen wir alle in unserem Leben zurechtkommen. Menschen, die eine Migrationserfahrung gemacht haben, haben spezifische Herausforderungen zu meistern. Es hängt aber weniger von der Migration als von den Möglichkeiten der Person ab, wie sie damit umgehen kann. Es ist zum Beispiel wichtig, dass man die Umgebung, in der man lebt, versteht: Spreche ich die Sprache, um mich mitzuteilen? Was wird von mir erwartet? Wie und wo kann ich mir Hilfe holen? Wer Antworten auf diese Fragen kennt, kann auch besser für sein Wohlbefinden sorgen.

* Was sind «migrationsbedingte» Leiden, die öfters auftreten?

Oft ist es eine unterstützende Erfahrung von anderen Menschen und ihren schwierigen Situationen im Leben zu hören und sich über seine eigenen Schwierigkeiten austauschen zu können. Wenn die Herausforderungen migrationsbedingt sind, ist genau dieser Austausch unter Menschen mit ähnlichen Erfahrungen sehr wichtig. In der Zeit vor, während und nach der Migration fühlen sich Menschen meist gestärkt. Sie erleben, dass sie viel Energie für dieses Ereignis aufwenden und sind meist überzeugt, dass es sich lohnt. Nach einer Weile folgt die Anpassungsphase. Es tauchen existenzielle Fragen nach dem Beruf und dem sozialen Umfeld auf. Die bisherige Identität muss erweitert werden. Man ist zum Beispiel nicht mehr «nur» Albanerin, sondern muss sich in der neuen Umgebung wieder neu definieren. Das kann Stress verursachen. In dieser Phase kann es vermehrt zu psychischen Erkrankungen kommen, die behandelt werden sollten. Später kommt meist eine Trauerphase dazu, in der man von der Heimat und allem, was damit verbunden ist, Abschied nimmt. Damit ist die Migration aber noch nicht abgeschlossen. Auch die nachfolgenden Generationen setzen sich noch mit der Migrationserfahrung auseinander.

*Gibt es Unterschieden zwischen den verschiedenen Volksgruppen in der Migrationsbevölkerung?

Wir gehen grundsätzlich davon aus, dass jeder Mensch seine eigenen Erfahrungen hat und doch auch immer verbindende Erlebnisse und Eigenschaften mit anderen Menschen teilt. Das ist unabhängig von Volksgruppen. Natürlich ist es im Zusammenhang mit Migration möglich, dass eine Gruppe ähnliche Bedingungen hatte, weshalb sie ihre Heimat verlassen hat und hier ähnliche Herausforderungen antrifft. Zum Beispiel gibt es im Moment viele Flüchtlinge aus Kriegsgebieten, die aufgrund ihres Aufenthaltsstatus, ihrer Sprachkenntnisse und ihrer Ausbildung viele Herausforderungen zu meistern haben, um in der Schweiz finanziell eigenständig leben zu können. Und dieses selbstbestimmte, unabhängige Leben ist eine wichtige Grundlage um sich psychisch gesund zu fühlen.

* Ich nehme an, dass sich viele Migrantinnen und Migranten davor scheuen mit Fachpersonen über ihre Probleme zu reden. Was würden Sie diesen Personen sagen?

Den meisten Menschen fällt es schwer, sich mit ihren persönlichen Problemen an Fachpersonen zu richten. Wichtig ist zu wissen, dass wir unter Schweigepflicht stehen. Oft hilft es bereits, offen über seine Schwierigkeiten zu reden. Für eine langfristige Veränderung braucht es aber Zeit. Es hilft zu wissen, dass es ein Zeichen von Stärke ist, über seine persönlichen Probleme zu reden.

*Was können Sie zum Thema psychische Gesundheit im Kontext der Migration noch sagen?

Das Thema psychische Gesundheit findet immer mehr Beachtung. Das hilft auch, dass Menschen sich mehr wagen, über ihr eigenes Befinden und über ihre Herausforderungen zu reden. Das ist aus unserer Sicht eine sehr wertvolle Veränderung. Wenn wir offener darüber reden, was uns beschäftigt, können wir auch besser mit den Herausforderungen umgehen. Damit verändert sich unser Leben auch zum Positiven. Das gilt für alle Menschen – mit und ohne Migrationshintergrund.

Auf der Seite www.psy.ch/shqip sind 10 Schritte für psychische Gesundheit beschrieben. Diese Informationen sollen allen Menschen helfen, sich mit ihrem Wohlbefinden auseinanderzusetzen und sich Gutes zu tun.

Mehr zu den Angeboten der Berner Gesundheit finden Sie auf www.bernergesundheit.ch