Integration
“Oh wie schön ist es, ein guter Freund der Albaner zu sein”*
Die Zeitschrift albinfo.ch hat in ihrer vorliegenden Nummer fünf Schweizer Frauen und Männer interviewt, die Albanisch gelernt haben und gut in der albanischen Kultur “integriert” sind
Die Schweiz ist sicher das Land mit am meisten Albaner “pro Kopf” ausserhalb der albanischen Siedlungsgebiete. Trotz aller Probleme mit Integration und Image haben die Albanerinnen und Albaner in der Schweiz nunmehr unzertrennliche Banden mit den Schweizern geknüpft. Ein Ergebnis dieser freundschaftlichen, familiären, professionellen u.a. Bindungen ist eine wenn auch noch bescheidene Zahl von Schweizerinnen und Schweizern, die sich in der albanischen Kultur und vor allem in der Sprache zuhause fühlen. Die Zeitschrift albinfo.ch hat in ihrer vorliegenden Nummer fünf Schweizer Frauen und Männer interviewt, die Albanisch gelernt haben und gut in der albanischen Kultur “integriert” sind.
Der bedeutende Albanologe und Pädagoge Basil Schader, die Fachfrau und Aktivistin Barbara Burri-Sharani, liebevoll auch Nusja e Kosovës (Braut Kosovas) genannt, die bekannte Übersetzerin und Buchautorin Sarah Gretler, der Journalist Florian Blumer und die Wissenschafterin Julia Schmid beantworteten gemeinsame Fragen. Im Folgenden geben wir Auszüge aus ihren Antworten wieder.
Auf die Frage, wann sie zum ersten Mal albanisch gehört hatten und wie das in ihren Ohren damals klang, antwortete Basil Schader, das sei 1992/1993 gewesen. “Ich erinnere mich nicht mehr, wie es anfangs für mich klang. Ich weiss nur, dass ich, nachdem ich es ein wenig gelernt hatte, erkannte, dass sich Albanisch recht verschieden anhören kann, je nach Dialekt des Sprechers und der Sprecherin.”
Albanisch, ein sehr faszinierendes Phänomen
Sarah Gretler machte interessante Erfahrungen beim Erlernen des Albanischen. “Es war 1978. Damals gab es hier viele Saisonniers aus Kosova und Makedonien. Sie arbeiteten auf dem Bau. Ich hatte damals einen kosovarischen Freund, der mir diese äusserst interessante und zu jener Zeit in der Schweiz praktisch unbekannte Sprache als Erinnerung hinterliess. Für mich war Albanisch ein sehr faszinierendes Phänomen, denn beim ersten Hinhören glich es keiner andern Sprache, doch als ich im Wortschatz und den Strukturen der gängigsten Sprachen und des Lateins nachzuforschen begann, entdeckte ich viele Beziehungen zwischen dem Albanischen und anderen Sprachen.”
Für Barbara Burri-Sharani kam es vor siebenundzwanzig Jahren zum ersten Kontakt mit dem Albanischen. “Es war 1989, als ich in einem Flüchtlingsheim arbeitete. Dort war ein Ehepaar aus Kosova und dort hörte ich zum ersten Mal die albanische Sprache. Die ersten Wörter waren ‘qika jeme’ (meine Tochter).”
Julia Schmid sagt, dass sie die albanische Sprache in der Stadt als Kind gehört hatte. “Erstmals bei Aktivitäten mit Jugendlichen. Ich arbeitete in einem Jugendtreff in Winterthur. Die Sprache klang für mich sehr schön, doch auch sehr fremd. Dann, je besser ich sie kennenlernte, und wenn ich jeweils meine Freundin albanisch reden hörte, hörte sie sich immer schöner und vertrauter an.”
Die Aussprache des Albanischen kein übermässig grosses Problem”
Auch Florian kann Interessantes über seine Bekanntschaft mit dem Albanischen (eigentlich mit Shpresa [Symbol]) berichten: “Zum ersten Mal bewusst wahrgenommen, dass albanisch gesprochen wird, habe ich erst, als ich Shpresa kennenlernte (Shpresa Jashari, Anm. d. Red.), beziehungsweise als sie am Telefon mit ihrem Bruder albanisch sprach. So fremd, so fern kam mir diese Sprache vor, wie wenn es Chinesisch wäre.”
Doch wie schwer fiel es unseren Gesprächspartnern, die Lautzeichen der albanischen Sprache auszusprechen? Das Deutsche kennt ja bekanntlich einige davon nicht. “Ein wenig schwierig sind sicher die Unterschiede zwischen q, ç, xh und gj; ansonsten glaube ich, ist die Aussprache des Albanischen kein übermässig grosses Problem”, sagt Professor Schader.
“Nur den Unterschied zwischen r und rr und zwischen l und ll bekomme ich nicht hin. Bis heute passiert es mir regelmässig, dass ich die “pullë”, also die Briefmarke, mit der “pulë” des Gockels, also der Henne, verwechsle”, sagt Sarah Gretler. Sie fügt bei: “Die grösste Schwierigkeit bestand darin, dass es lange Zeit keine Instanz gab, wohin ich mich zur Selbstkontrolle hätte wenden können, es gab weder Schulen noch Kurse noch Grammatiken für Nichtalbanischsprachige … .”
Barbara Burri lernte Albanisch nur übers Sprechen. “Ich lebte eine Zeit lang in Kosova, doch die albanische Sprache habe ich nur im Gespräch gelernt, ohne Kurse. Nur drei Albanischlektionen habe ich gehabt, doch habe ich die Sprache in Gesprächen mit Familienangehörigen und Verwandten in Kosova gelernt”, sagt sie.
“Ein paar Mal verwechselte ich Albanisch mit Portugiesisch”
Das Problem mit der Aussprache der Lautzeichen “r” und “ll” scheinen viele Deutschsprachige zu teilen. Mit diesen beiden Zeichen hat auch Julia Schmid Probleme, ebenso Barbara Burri. “Mir fällt es schwer, die Zeichen ‘ll’ und ‘r’ auszusprechen. Doch ‘r’ ist auch in anderen Sprachen schwierig, wie etwa im Spanischen”, sagt Julia. Während Blumer sich diesbezüglich weniger bescheiden gibt und meint: “Die meisten Laute, die sich vom Deutschen unterscheiden, kenne ich vom Englischen her, da ich Englisch studierte.”
Die Frage nach einer eventuellen Ähnlichkeit zwischen dem Albanischen und anderen Sprachen und nach der Musikalität des Albanischen beantworteten unsere Gesprächspartnerinnen unterschiedlich. “Einige gegische Unterdialekte hören sich ziemlich schwerfällig an, einige Mundarten klingen sehr elegant… “, sagte Schader. “Ein paar Mal verwechselte ich Albanisch mit Portugiesisch. Es kommt auf die Dialekte an”, präzisiert Julia Schmid. Während Blumer leicht ironisch sagt: “Dem Englischen gleicht es bestimmt nicht. Ich denke nicht, dass Albanisch ähnlich wie Englisch klingt. Und eigentlich auch nicht wie irgendeine andere Sprache die ich kenne.”
Die Schweizer Albanischsprechenden unterscheiden sich auch darin, wie weit sie die albanische Kultur kennen. So sagt Professor Schader: “Ich hoffe gut, denn ich habe Kontakt mit vielen Menschen aus den verschiedenen albanischsprachigen Gebieten; doch es gibt immer auch Überraschungen.” Für Sarah Gretler “ist die albanische Kultur vor allem mit der ausserordentlichen Gastfreundschaft verbunden, die ich erlebte!” Sie kennt auch die Entwicklung dieser Kultur aus den Lebensbedingungen der patriarchalen Gesellschaft heraus bis heute.
Es gibt “sehr verschiedene” Albaner
“Ja, die Kultur kenne ich sehr gut. Ich habe sie gelebt und bin gut in diese Kultur integriert”, antwortet ohne Zögern die Nusja e Kosovës, Barbara Burri. Eine differenziertere Haltung zeigt Julia Schmid. “Gleicht die Kultur in Prizren der Kultur in Himarë, wo die Leute auch griechisch sprechen? So kenne ich vielleicht die Kultur nicht gut, aber ich kenne viele albanische Menschen die sich sehr voneinander unterscheiden.”
Florian Blumer sagt, jetzt kenne er diese Kultur einigermassen, “von den Reisen in die Gebiete, wo albanisch gesprochen wird, und von der Familie meiner Frau.”
Als Bewunderer von Sprache und Kultur der Albanerinnen sind unsere Freunde alle schon mehrmals in den Gebieten mit albanischer Bevölkerung gewesen. “Ich war noch nie bei den Albanern in Montenegro, auch nicht bei den Arbreschen, noch bei den Arvanitinnen, doch ich bin viel in Kosova und in Albanien und war drei oder vier Mal in Makedonien”, antwortet Professor Schader.
“Ich war an vielen Orten in Kosova, ausserdem in Bujanovc, in Shkup-Skopje, in Struga, in Ohrid, in Tetova, in Albanien”, sagt Sarah Gretler. “In Albanien war ich unter anderem 1991 mit einer Delegation des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, in den Gefängnissen von Tirana, Saranda, Fier und Burrel, und ich vergesse nie, was ich dort gesehen und gehört habe. Ich verglich diese Erfahrungen mit den Berichten der albanischen politischen Flüchtlinge aus Jugoslawien über die Verhältnisse in der Haft, und am meisten Leid taten mir jene, die von den jugoslawischen Gefängnissen in die Gefängnisse Albaniens kamen.”
Ziemlich genau: Alle haben was von Kadare gelesen
Die nächste Frage war: Haben Sie ein albanisches Buch gelesen, oder ein übersetztes von einer albanischen Autorin? “Ich habe viele albanische Bücher gelesen – über 200 – in albanischer Sprache und einige in deutscher Übersetzung. Selbst habe ich drei albanische Bücher auf deutsch übersetzt, unter anderem auch die fabelhaften Erinnerungen von Arif Demolli ‘Es war ein Dorf in Kosova’ (Originaltitel: Të gjallët dhe të vdekurit e një fëmijërie)”, sagt Basil Schader.
Barbara Burri sagt auf diese Frage: “Bücher zu verstehen fällt mir schwer, übersetzte Romane dünken mich einfacher für ein besseres Verständnis”. Julia Schmid antwortet kurz: “Ja, ich habe die Bücher Kadares gelesen.” Ebenfalls Kadare, aber nur in deutscher Übersetzung, hat auch Blumer gelesen: “Mein Albanisch genügt dafür immer noch nicht. Auf Deutsch las ich ‘Die Pyramide’ und ‘Konzert am Ende des Winters’ von Ismail Kadare.”
Je mehr Sprachen wir können, desto besser ist unser Gedächtnis – glauben Sie das? war die nächste Frage. Schaders Antwort ist deutlich: “Ja, unbedingt. Und weil mehrsprachig sein auch heisst, die verschiedenen Sprachen in Lektüre und Schrift zu beherrschen, engagiere ich mich aus vollem Herzen für den ergänzenden Unterricht in albanischer Sprache, wo die Kinder lernen, ihre Muttersprache zu lesen und zu schreiben.”
Die Sprache hilft beim Verständnis der Kultur
“Ja. Ich denke auch, dass Mehrsprachigkeit unseren Horizont erweitert und Zugang zu unbekannten Welten schafft”, meint Florian Blumer diesbezüglich.
Die folgende Frage “Verstehen Sie dank der Kenntnis der albanischen Sprache die Albanerinnen und Albaner besser?” erhielt nur positive Antworten von unseren fünf Freundinnen. “Auf jeden Fall! Auch in den Projekten zur Unterstützung der Schulen in Nordalbanien, in welchen meine Frau und ich uns seit langem einsetzen, sind meine Sprachkenntnisse überaus wertvoll und sind der Ausgangspunkt für viele authentische und freundschaftliche Beziehungen”, sagt Schader. Auch Barbara Burri bestätigt diese Verbundenheit: “Ja, sicher viel besser. Die Sprache hilft beim Verständnis der Kultur.”
Julia Schmid antwortet: “Ja. Ich verstehe sie besser. Aber nicht nur dank der Sprache. Auch durch verschiedene Beziehungen und Erfahrungen.” Und Florian Blumer hat die kürzeste Antwort auf diese Frage: “Ja.”
albinfo.ch bat alle Gesprächsteilnehmerinnen, einen albanischen Satz oder Spruch, der sie besonders beeindruckt, aus einem Text, einem Lied oder einer albanischen Begrüssungsformel zu zitieren.
“Ich glaube, ich habe genug albanisch geredet – hoffentlich nicht mit zu vielen Fehlern – so dass ich dieses Interview mit einem freundschaftlichen TUNG! (ciao!, tschau!, mach’s gut!) beschliessen möchte”, ist die Antwort von Professor Schader.
Sarah Gretler gefällt der Spruch “ ‘Ta mbajsh me shëndet!’ (Mögest du es gesund tragen!). Dieser Ausspruch ist schön, er wird oft verwendet, im Alltag, und, obwohl er jeweils dann gesagt wird, wenn jemand etwas Materielles erhält, wenn jemand ein Kleidungsstück kauft oder geschenkt bekommt, lenkt dieser Satz die Aufmerksamkeit auf die Gesundheit, diese Worte weisen also täglich auf die Zusammenhänge hin, die zwischen materiellen und tieferen Werten bestehen.”
Ein Ausdruck aus den kosovarischen Dialekten, der Barbara Burri gefällt, ist: ‘Muhabet me bo’ (bei freundschaftlichem Zusammensitzen ein Gespräch führen). Doch interessant dünken mich auch die alten deutschen Wörter, die wir im Albanischen antreffen. Ebenfalls gefällt mir der Ausruf ‘po valla!’ (doch, tatsächlich!)”, schliesst sie.
Julia Schmid gibt eine spezifische Antwort mit politischer Konnotation: “Die albanische Sprache ist eine sehr schöne Sprache. Sprecht albanisch, wo ihr wollt. Auch in der Schule, auch auf dem Schulareal in Egerkingen! [Symbol]”
Während der “begeisterte Albanophile” Florian Brunner sich den unter Albanern coolsten und aktuellsten Spruch zu eigen gemacht hat: “O sa mirë me qenë shqiptar! (Oh wie schön ist es, Albaner zu sein!) [Symbol]”.
Sarah Gretler: Heute ist die Arbeit als Übersetzerin einfacher geworden
Heute ist es viel einfacher geworden, als Übersetzerin zu arbeiten, es stehen nebst dem Langenscheidt die grossen Wörterbücher (mit je rund 2000 Seiten) Albanisch-Deutsch und Deutsch-Albanisch der Autoren Ali Dhrimo und Hamlet Bezhani zur Verfügung, und für die juristische Übersetzung gibt es das Rechtswörterbuch von Dritan Halili. Ich freue mich auch sehr ob dem 1600-seitigen Wörterbuch der gesprochenen Sprache vom Autor Mehmet Elezi.
- Anspielung an bekannten albanischen Spruch: «O samirëmeqenëshqiptar» (Oh wie schön ist es, ein Albaner zu sein”
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