Integration
Carole und Musa, eine Liebe, die aus dem Äther kam
Es war Musa der Unbekannte der mich angerufen hat, und für einen albanischen Sprachkurs fragte, ich hätte gern, dass meine Frau meine Muttersprache erlernt, sagte er mit Stolz. In seiner Stimme merkte man die Liebe, die er für seine Frau empfindet. Als ich Carole traff, wusste ich schon: warum Musa so stolz ist
albinfo.ch: Was haben die kosovarische und die Schweizer Kultur gemeinsam?
Carole und Musa: Unserer Meinung nach sehr wenig. Es sind schon zwei verschiedene Kulturen. In der kosovarischen Kultur hat die Familie zum Beispiel einen viel höheren Stellenwert, davon könnten sich die Schweizer eine Scheibe abschneiden. Aber in der Schweiz lebt man einfach anders. Die meisten jungen Menschen ziehen mit 18 oder 20 Jahren aus, stehen auf eigenen Beinen. Im Kosovo leben mehrere Generationen unter einem Dach. Auch die Essenskultur ist sehr unterschiedlich.
albinfo.ch: Was gefällt dir im Kosovo, und was ihm in der Schweiz?
Carole: Ich bin vom Kosovo sehr positiv überrascht. Als ich das erste Mal in den Kosovo gereist bin, habe ich gedacht, dass man überall noch Spuren vom Krieg sieht. Kosovo ist ein sehr schönes Land, schade finde ich nur, dass die Menschen den Abfall einfach in die Natur werfen. Andererseits ist das auch verständlich, gibt es doch kein gutes Abfallkonzept, in dem sich der Staat um die Abfallentsorgung kümmert. Ich denke, dass Kosovo noch sehr viel Potenzial hat, wenn der Staat für die Kosovaren arbeiten würde. Die kosovarische Bevölkerung ist sehr herzlich, freundlich. Die meisten Menschen wirken aufgestellt, auch wenn sie nicht viel haben.
Musa: In der Schweiz gefällt mir, dass alles geregelt ist, manchmal gibt es auch etwas zu viele Regeln. Auch finde ich es schön, dass die Schweiz sehr viele Gewässer, Seen und Flüsse hat. Es ist sauber, die meisten Menschen sind pünktlich – daran musste ich mich erst gewöhnen, im Kosovo ist das nicht Priorität. Geregelte Arbeitszeiten gefallen mir und dass es dem Volk generell gut geht. Man hat viele Möglichkeiten, sich aus- oder weiterzubilden.
albinfo.ch: Was unterscheidet euch?
Carole: Eigentlich ziemlich viel und trotzdem passen wir gut zusammen. Man sagt ja, Gegensätze ziehen sich an. In den grundlegenen Sachen denken wir aber gleich. Wir reden sehr viel miteinander, das ist für unsere Beziehung wichtig. So können kulturelle Missverständnisse vermieden werden. Beide müssen offen sein und neue Sachen akzeptieren.
albinfo.ch: Wo fühlen Sie sich wohler, in der Schweiz oder im Kosovo?
Carole: Obwohl ich sehr gerne in den Kosovo reise, um die Familie meines Mannes zu besuchen, fühle ich mich schon wohler in der Schweiz. Die Schweiz ist meine Heimat, ich lebe mein ganzes Leben hier.
Musa: Für dass ich erst seit zwei Jahren in der Schweiz lebe, fühle ich mich sehr wohl hier. Ich habe mich sehr gut eingelebt, besser, als ich es mir vorgestellt habe. Liegt sicher auch daran, dass ich in Deutschland aufgewachsen und sehr offen neuen Sachen und Menschen gegenüber bin. Ich wurde aber auch sehr gut aufgenommen in der Schweiz, von Freunden und Familie meiner Frau. Obwohl es mir hier gut geht und ich mich wohl fühle, kann ich noch nicht sagen, dass ich mich hier wohler fühle. Kosovo ist und bleibt meine Heimat.
albinfo.ch: Wo machen Sie Ferien?
Carole: Als mein Mann noch im Kosovo gelebt hat, bin ich jeden Monat ein paar Tage runter. Oft haben wir ein Auto gemietet und das Land erkundet, waren aber auch schon in Albanien am Meer und in Montenegro. Letztes Jahr waren wir eine Woche in Frankreich, für dieses Jahr haben wir noch keine Ferien geplant. So wichtig es ist, seine Familie im Kosovo zu besuchen, ist es mir auch wichtig, dass wir nicht all unsere Ferien im Kosovo verbringen – denn die Welt ist noch viel grösser und es gibt noch viele spannende Orte und Länder zu entdecken.
Musa: Mindestens einmal im Jahr muss und vor allem will ich meine Heimat und Familie besuchen, sonst reise ich auch gerne woanders mit meiner Frau hin.
albinfo.ch: Wie und wo haben Sie sich kennengelernt?
Carole: Das ist eine lustige Geschichte. Musa hat in Prishtina in einem CallCenter gearbeitet und eine Schweizer Lifestylekarte verkauft. Diese wollte er mir eben verkaufen und so kamen wir in Kontakt. Ich kann mich gut erinnern, dass wir gleich beim ersten Mal mehr als eine Stunde telefoniert und über Gott und die Welt gesprochen haben. Irgendetwas hat mich an diesem Mann sofort fasziniert. Wir haben dann jeden Tag telefoniert und geskypt (sofern es die Stromverbindung in Prishtina zuliess). Bald habe ich gemerkt, dass meine Gefühle für diesen doch eigentlich unbekannten Mann immer grösser werden und bin nach zwei Monaten nach Prishtina gereist. Ich hatte keine Ahnung, wie es sein und was mich erwarten würde. Wir erlebten vier wundervolle Tage, haben viel unternommen, sehr viel geredet, um uns besser kennenzulernen (obwohl ich das Gefühl hatte, als würden wir uns schon ewig kennen) und viel gelacht. So reiste ich während eines Jahres fast jeden Monat in den Kosovo, wo wir ein paar Tage zusammen verbrachten und im Juli 2013 konnte er dann endlich in die Schweiz kommen. Zwei Monate später haben wir geheiratet und wir möchten bis jetzt keine Sekunde missen – auch wenn es nicht immer einfach war, eine Fernbeziehung zu führen. Wir haben gekämpft und gewonnen. Das hat uns noch mehr zusammengeschweisst.
albinfo.ch: Was haben sie früher über Kosovaren gewusst? Was dachten sie über
Kosovaren, bevor sie ihren Mann kennengelernt haben und was denken sie jetzt über Kosovaren, da Sie ihn besser kennen?
Carole: Ich habe nicht sehr viel über den Kosovo und seine Bevölkerung gewusst. Natürlich hatte ich auch schon Kontakt mit Kosovaren, aber keinen engen und ich habe mich auch nicht gross mit der Kultur und dem Land auseinandergesetzt. Früher, bevor ich Musa und den Kosovo kennengelernt habe, hatte ich ein schlechteres Bild von den Kosovaren. Es gibt eine Handvoll Kosovaren, die Mist bauen und die Medien tragen auch ihren Teil bei, dass die Schweizer ein schlechtes Bild der Kosovaren haben. Ich war sehr positiv überrascht, als ich die kosovarische Bevölkerung im Kosovo kennenlernte und alle meine Freunde und meine Familie mögen Musa sehr, er gehört einfach dazu. Ich denke, dass er bei vielen Menschen einen wesentlichen Teil dazu beiträgt, dass diese ihr Bild über Kosovaren ändern.
albinfo.ch: Wie schätzen sie Ihre Landesleute, was denken Sie über die Kosovaren?
Musa: Ich finde es traurig, dass man sehr viel Negatives über uns hört. Und noch trauriger finde ich es, dass extrem viele Schweizer ein schlechtes Bild der Kosovaren haben. Obwohl sehr viele nie wirklich Kontakt mit Kosovaren hatten. Denn im Endeffekt, wenn ein paar Chaoten Mist bauen und deshalb in den Medien sind, gleich 300 000 in der Schweiz lebende Kosovaren in einen Topf geworfen werden. Es wäre schön, wenn die Schweizer Medien auch über positivere Sachen berichten würden, denn viele Kosovaren machen auch gute Sachen, aber darüber spricht niemand.
albinfo.ch : Wenn Sie Kinder haben, wie werden diese heissen? Werden sie Schweizer oder kosovarische Namen haben?
Carole: So wirklich haben wir darüber noch nicht gesprochen. Wir wollen Kinder, aber nicht gleich in den nächsten Monaten. Mein Mann ist zurzeit noch in der Ausbildung zum Maurer. Die will er beenden und danach wollen wir noch etwas reisen, bevor es an die Familienplanung geht. Ich habe zwei Namen im Kopf, die ich hier aber nicht verrate. Aber: es sind albanische.
Musa: Ich finde es schön, wenn unsere Kinder albanische Namen haben werden.
albinfo.ch : albanische Namen mit schweizerischem Klang
albinfo.ch: Was denken Sie, können Sie sich vorstellen, aus der Schweiz auszuziehen und mit Ihrem Mann im Kosovo zu leben?
Carole: Ganz ehrlich: Nein. Hier in der Schweiz haben wir alles, uns geht’s so gut. Ich spreche auch die Sprache nicht und berufsmässig hätte ich im Kosovo keine Perspektiven. Ich bin jeden Tag froh und dankbar, dass Musa in die Schweiz gekommen ist und wir deshalb zusammen sein können.
albinfo.ch : Stört Sie die Armut im Kosovo?
Carole: Die Armut an sich stört mich nicht. Mich stört, weshalb es diese Armut gibt. Kosovo hätte viel Potenzial, aber solange die Regierung nichts macht, wird es so bleiben. Die Kosovaren sind ein arbeitstüchtiges Volk, sie arbeiten gern und können hart arbeiten. Aber wenn es keine Arbeit gibt, was wollen sie dann machen? Die kosovarische Bevölkerung ist nicht arm, weil sie einfach faul ist. Sie bekommt keine Gelegenheit, das zu ändern und das stört mich und finde ich auch sehr schade. Denn ich denke, die Kosovaren sind ein intelligentes Volk, das eigentlich arbeiten will.
Musa: Jeden Kosovaren stört es, wenn er weiss, dass so eine korrupte Regierung an der Macht ist und die Bevölkerung so stark darunter leiden muss. Die Regierung wäre eigentlich in der Lage, innert kurzer Zeit den Kosovo richtig aufblühen zu lassen, aber sie machen‘s nicht aus eigenen Interessen und deren der Vereinigten Nationen, USA, EU und all die anderen ausländischen Staaten, die sich im Kosovo niederlassen und das Land ausbeuten.
albinfo.ch: Wie schwer ist die Sprache für Sie?
Carole: Die Sprache ist sehr schwierig für mich. Anfangs wollte ich Albanisch nicht unbedingt lernen. Meine Meinung habe ich geändert, als wir über Kinder gesprochen haben. Wenn wir Kinder haben und mein Mann Albanisch mit ihnen spricht, dann will ich das auch verstehen. Ganz ehrlich, ich finde Albanisch nicht die schönste Sprache, aber jede Sprache, die man kann, ist gut. Es wäre schade, wenn unsere Kinder die Sprache ihres Vaters nicht sprechen würden – auch wegen den Grosseltern im Kosovo. Deshalb versuche ich, Albanisch zu lernen, was mir aber sehr schwer fällt. Aber wie heisst es so schön: Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen und: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Ich werde das schon schaffen.
Callcenter war „schuld“
Musa hat in Prishtina in einem CallCenter gearbeitet und eine Schweizer Lifestylekarte verkauft. Diese wollte er mir eben verkaufen und so kamen wir in Kontakt. Ich kann mich gut erinnern, dass wir gleich beim ersten Mal mehr als eine Stunde telefoniert und über Gott und die Welt gesprochen haben. Irgendetwas hat mich an diesem Mann sofort fasziniert. Wir haben dann jeden Tag telefoniert und geskypt (sofern es die Stromverbindung in Prishtina zuliess). Bald habe ich gemerkt, dass meine Gefühle für diesen doch eigentlich unbekannten Mann immer grösser werden und bin nach zwei Monaten nach Prishtina gereist.
Carole: Unsere Kinder werden albanischen Namen tragen
Wir wollen Kinder, aber nicht gleich in den nächsten Monaten. Mein Mann ist zurzeit noch in der Ausbildung zum Maurer. Die will er beenden und danach wollen wir noch etwas reisen, bevor es an die Familienplanung geht. Ich habe zwei Namen im Kopf, die ich hier aber nicht verrate. Aber: es sind albanische.
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